Wer dieses Palaver am 18. 4. 2010/ARD gesehen hat, weiss wie es um den Afghanistankrieg bestellt ist und um die journalistische Neutralität und Qualität. Grüne Müller, Bundeswehr (Wolffsohn will die "Taliban liquidieren") und der vorgebliche Liberale Niebel finden den Krieg notwendig und richtig und wollen da bleiben. Deren Phrasendrescherei war blamabel. Willemsen und Gysi, intellektuelle Linke oder Intellektueller und Linker sind realistisch, grundsätzlich gegen Krieg, für zivilen Aufbau und für den Abzug. Ein Traum an Aufgabenerfüllung im propagandistischen Sinne war wieder die (nicht nur stimmferquenzmäßige) Sirene Will, die Gysi buchstäblich ankreischt: "Sie sind also nicht stolz auf unsere gefallenen Soldaten?!" Die Süddeutsche redet um diesen heissen Brei übrigens herum. In diesem Tohuwabohou wurde die Hauptfrage natürlich von der unwilligen Anne umschifft: Was haben wir dort überhaupt zu suchen? Wäre wir dort, wenn die Amerikaner nicht aus geostrategischen Gründen Afghanistan besetzen wollten? Anstatt des Scharfmachers Wolffsohn (“Als eines der Mittel im Kampf gegen den Terrorismus halte ich Folter oder die Androhung von Folter für legitim” erklärt Prof. Michael Wolffsohn, jüdischer Abstammung, am 5. Mai 2004 in der n-tv-Talksendung „Maischberger“.) hätte ich mir Scholl-Latour gewünscht und, dass Gysi zur gewohnten scharfsinnigen Analyse und Provokanz zurückfindet. Wollte er vermeiden ausgebuht zu werden, wenn er sagt, dieser Krieg ist ein Verbrechen, geostrategisch motiviert und imperialistisch?
Nachtrag: Ein Leser machte mich darauf aufmerksam, dass Niebel die Zustimmung der Bevölkerung zum Krieg davon ableite, dass man diese Regierung ja gewählt habe. So ist das mit den Halbwahrheiten. 1. Die Regierung wurde nicht vom Volk gewählt, sondern von den Parteien (!) zusammengesetzt und vom Bundestag abgenickt. Das ist ein grosser Unterschied. Weder der Kanzler noch der Bundespräsident wird direkt gewählt. Volksabstimmungen sind generell nicht möglich. 2. Der Bundestagbeschluss ignoriert die Wählermeinung, wenn 70% der Bürger für den Abzug aus Afghanistan sind und man das Mandat trotzdem verlängert. 3. Die Regierungsparteien bekamen bei der Bundestagswahl 2009 zusammen 48,4% der abgegebenen Stimmen. Das ist weniger als die Hälfte und schon deshalb keine Mehrheit. 4. Bei einer Wahlbeteiligung von 70,8% entspricht das einem Anteil 34,26% der Wahlberechtigten. Selbst wenn alle ihre Wähler den krieg befürworten würden - sie haben ein Drittel! Wie können diese Demagogen da vor laufender Kamera davon schwafeln, es gäbe eine demokratische Legitimation für ihre Kriegsführung? Da sie nur die Kriegbefürworter repräsentiert, war der aufgesagte Spruch des Merkels, sie wolle Kanzlerin aller Deutschen sein, eine Lüge.