Die groß angekündigte „Generaldebatte“ im Bundestag, die sich in Wahrheit mit dem Haushalt der Bundesrepublik befaßt, war das erwartete Laienschauspiel. Die Debatte war eine so „scharfe Auseinandersetzung“
(O-Ton), daß sie es in der Tagesschau mit
Hängen und Würgen auf Platz 4 schaffte; hinter Israel (ausgerechnet Clinton
verkündet Waffenruhe), Patriot-Raketen für die Türkei gegen Syrien (de Maziere: „De-Eskalation“)
und EU-Finanzministertreffen zu Griechenland.
Was man wirklich zu
sehen bekam, waren lustig-peinliche Statements von Merkel wie: „Wir sind die
erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung.“ (Bei Youtube sind
die Bewertungsfunktionen geblockt worden.) Steinbrück:
„Die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat Deutschland
modernisiert.“Richtig dolle-scharf weh getan haben sich die beiden soviel wie
die Kasperle- und die Oma-Handpuppe. Geschenkt. Katja Kipping bezeichnete das
treffend als Casting-Show. Apropos Kipping.
Wenngleich ich ihren
Einsatz für Pussy Riot für voll daneben halte, was die Linke-Chefin in ihrer Rede gestern
den Sprechblasen der Blockparteien entgegenzusetzen hatte, war aller Ehren
wert. Mit ihrem zielsicherem Bohren in Merkelbrück‘s Wunden war sie turmhoch überlegen.
Statt deren weltfremder Selbstbeweihräucherung eine Rede voller Beispiele aus
dem Leben. Kippings intelligenten Vorschlägen hatten die schwarzgelbrosabisgrünen
Ertappten nichts entgegen zusetzen. Nur Pfeifen mit den Fingern in den Ohren hätte
ihr kindisches Verhalten noch toppen können. Kompliment für Bundestagspräsident Lammert,
der die Volksvertreter auffordert (nach einer Minute Kipping-Rede)
die Klappe zu halten, zuzuhören oder den Saal zu verlassen.
Wenn's brenzlig wird geben wir ab nach Israel
Der Staatssender Phoenix
brachte das - natürlich „zufällige“ - Kunststück fertig, gerade als Kipping
eine funktionierende Preisaufsicht für Energiekonzerne fordert, für fast die
Hälfte ihrer Rede die Übertragung zu unterbrechen und aus Tel Aviv zu berichten –
über das zweieinhalb Stunden zuvor passierte Attentat auf einen Bus. Einen
kurzen „breaking news“-Bericht über tote Attentatsopfer hätte man akzeptieren
können, doch es folgte eine ganze Hin- und Her-Schalte und ein Bericht von einem alten
Statement Clintons!
Kein Zufall diese
Unterbrechung der einzigen sachlichen-substantiellen Bundestags-Rede des Tages über
das wahre Leben da draußen.
Deshalb haben wir uns
eben so zufällig wie Phoenix entschlossen, hier die Rede Katja Kippings im Wortlaut zu veröffentlichen. Und
empfehlen sie ausdrücklich zur Lektüre.
Mit freundlichen Grüßen an Phoenix.
Katja Kipping, Bundestag 21. 11. 2012 |
Für einen
wirklichen Politikwechsel!
Hin zu
Umverteilung und sozial-ökologischem Umbau.
Katja Kipping (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die bisherige Debatte verfolgt hat, hat gemerkt, dass sie so ein bisschen was von einer Castingshow hatte: Deutschland sucht den Superwahlkämpfer. Beide Kandidaten versuchen, sich ins rechte Licht zu setzen. Herr Steinbrück schenkt der Regierung mit viel rhetorischem Tamtam ein, Frau Merkel verteidigt sich tapfer. Die Fanblöcke sind aufmarschiert. Das alles ist etwas weniger glamourös als bei Deutschland sucht den Superstar; dafür ist aber Herr Lammert, finde ich, etwas sympathischer als Dieter Bohlen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die bisherige Debatte verfolgt hat, hat gemerkt, dass sie so ein bisschen was von einer Castingshow hatte: Deutschland sucht den Superwahlkämpfer. Beide Kandidaten versuchen, sich ins rechte Licht zu setzen. Herr Steinbrück schenkt der Regierung mit viel rhetorischem Tamtam ein, Frau Merkel verteidigt sich tapfer. Die Fanblöcke sind aufmarschiert. Das alles ist etwas weniger glamourös als bei Deutschland sucht den Superstar; dafür ist aber Herr Lammert, finde ich, etwas sympathischer als Dieter Bohlen.
(Beifall bei der LINKEN)
Am Ende aber ist es vor allen Dingen
eine Show, und die Frage ist doch:
(Unruhe)
Wie groß sind die Unterschiede
wirklich, wenn die Scheinwerfer aus sind und wenn es in den Backstagebereich geht?
Wird nicht hinter der Bühne schon ganz heftig geflirtet?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Einen kleinen Augenblick, bitte, Frau Kipping. Ich darf diejenigen, die jetzt der Debatte nicht weiter folgen können oder wollen, bitten, entweder den Saal zu verlassen oder jedenfalls für die gebotene Aufmerksamkeit zu sorgen.
Bitte schön, Frau Kipping.
Einen kleinen Augenblick, bitte, Frau Kipping. Ich darf diejenigen, die jetzt der Debatte nicht weiter folgen können oder wollen, bitten, entweder den Saal zu verlassen oder jedenfalls für die gebotene Aufmerksamkeit zu sorgen.
Bitte schön, Frau Kipping.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Katja Kipping (DIE LINKE):
Herr Steinbrück, Sie haben auf Angriff gespielt. Die Frage ist aber doch: Wie glaubwürdig ist das? Werden Sie nicht einen Haushalt mit der gleichen Schwerpunktsetzung in den höchsten Tönen loben, wenn es nach der Wahl zu einer Großen Koalition kommt? Und dass es dazu kommen wird, pfeifen doch inzwischen schon die Spatzen von den Dächern.
Herr Steinbrück, Sie haben auf Angriff gespielt. Die Frage ist aber doch: Wie glaubwürdig ist das? Werden Sie nicht einen Haushalt mit der gleichen Schwerpunktsetzung in den höchsten Tönen loben, wenn es nach der Wahl zu einer Großen Koalition kommt? Und dass es dazu kommen wird, pfeifen doch inzwischen schon die Spatzen von den Dächern.
(Peer Steinbrück (SPD): Nein! Renate
Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn das für eine demokratische
Haltung? Es kommt nicht auf die Spatzen an, sondern auf die Wähler! Joachim Poß
(SPD): Mit welchen Spatzen verkehren Sie denn?)
Wir erleben hier eine Show. Die
Medien werden morgen wieder Haltungsnoten vergeben. Die Frage ist doch: Reicht
es wirklich, Haltungsnoten zu vergeben? Sind dafür die Probleme nicht viel zu
groß?
Immer mehr Menschen können ihre Stromrechnung nicht bezahlen und sind von Stromabschaltungen betroffen. Die Mieten explodieren, sodass viele Menschen aus den Wohngebieten der Innenstädte verdrängt werden. Eltern laufen sich die Hacken ab auf der Suche nach einem Kitaplatz. Die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land geht immer weiter auseinander, und Deutschland exportiert weiter fleißig Kriegswaffen und trägt damit zur Aufrüstung in der Welt bei.
Meine Damen und Herren, das ist die Realität in diesem Land. Ich finde, angesichts dieser Realität müssen wir hier mehr liefern als eine Show. Politik muss mehr leisten als eine Castingshow. Wir brauchen einen wirklichen Wechsel, und darum geht es uns als Linke.
Immer mehr Menschen können ihre Stromrechnung nicht bezahlen und sind von Stromabschaltungen betroffen. Die Mieten explodieren, sodass viele Menschen aus den Wohngebieten der Innenstädte verdrängt werden. Eltern laufen sich die Hacken ab auf der Suche nach einem Kitaplatz. Die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land geht immer weiter auseinander, und Deutschland exportiert weiter fleißig Kriegswaffen und trägt damit zur Aufrüstung in der Welt bei.
Meine Damen und Herren, das ist die Realität in diesem Land. Ich finde, angesichts dieser Realität müssen wir hier mehr liefern als eine Show. Politik muss mehr leisten als eine Castingshow. Wir brauchen einen wirklichen Wechsel, und darum geht es uns als Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen einen wirklichen Wechsel
hin zu einem sozial-ökologischen Umbau, hin zu Umverteilung, damit die Reichen
nicht immer reicher und die Armen nicht immer ärmer werden. Das ist unser
Verständnis von Politik.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu einem wirklichen Wechsel gehört
die Beendigung der Zweiklassenmedizin und die Einführung einer solidarischen
Bürgerversicherung, also einer Versicherung, in die alle auch Abgeordnete und
Beamte einzahlen. Wir haben errechnet, dass dadurch der Beitrag sogar niedriger
ausfallen würde. Er läge dann nämlich bei 10,5 Prozent. Meine Damen und Herren,
das wäre doch etwas. Das könnten wir doch zusammen in Angriff nehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu einem wirklichen Wechsel gehört
eine soziale Energiewende. Diese muss den Wechsel hin zu erneuerbaren Energien
garantieren, ohne dass die Ärmsten frieren und im Dunkeln leben müssen. Wir
haben dazu Vorschläge gemacht. Um nur einen zu nennen: Wir meinen, dass wir
endlich wieder eine funktionierende Preisaufsicht benötigen; denn sprudelnde Gewinne
der Stromkonzerne bei steigender Energiearmut, das ist für uns als Linke nicht
hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Und hier blendet Phoenix aus....
Zu einem wirklichen Wechsel in
diesem Land gehört auch ein Ende aller Kampfeinsätze. Deutschland ist der
drittgrößte Kriegswaffenexporteur. Meine Damen und Herren, wir wissen es doch:
Wenn die Waffen reden, schweigt die Vernunft. Niemand kauft sich einen Panzer,
um ihn als Zierde in den Vorgarten zu stellen. Am Ende findet jede Waffe ihren
Krieg. Deswegen sagt die Linke ganz klar: Wir brauchen einen sofortigen Stopp
der Rüstungsexporte; denn mit dem Tod macht man keine Geschäfte. Das ist
einfach unanständig.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu einem wirklichen Wechsel gehört
aber auch, die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung ernst
zu nehmen. Barrierefreiheit und Inklusion sind eben keine Almosen, die man mal
gewährt, wenn es uns gerade in den Kram passt. Inklusion und Barrierefreiheit
sind ein Recht. Im Übrigen würde Barrierefreiheit das Leben nicht nur für
Menschen mit Behinderung, sondern für alle Menschen besser machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu einem wirklichen Wechsel gehört,
dass wir nicht nur auf dem Papier für jedes Kind einen Kitaplatz garantieren.
Eltern wissen es: Man kann sich gar nicht früh genug um einen Kitaplatz
bemühen, am besten fängt man schon vor dem Beginn der Schwangerschaft an. Das
sind doch unmögliche Fristen. Das geht doch nicht! Als ich geboren wurde, haben
meine Eltern einen Antrag auf einen Trabant gestellt, weil die Lieferfristen
für Autos damals 18 Jahre betrugen. Über diese Seite der DDR-Mangelwirtschaft
können wir heute nur lachen. Was mir heute Sorge bereitet, ist, dass in diesem
reichen Land inzwischen Bildung zur Mangelware verkommt. Wir meinen, es kann
nicht sein, dass sich Eltern die Hacken ablaufen müssen. Deswegen müssen wir
die Gelder für den Kitaausbau aufstocken.
(Beifall bei der LINKEN)
Das alles sind Maßnahmen, die man
sofort angehen kann. Ich möchte im Folgenden über drei zentrale Bereiche reden,
an denen man erkennen kann, wie ein wirklicher Wechsel aussehen kann. Ich
möchte auch die Debatten zwischen CDU/CSU und SPD in diesen Bereichen daraufhin
abklopfen, inwieweit es tatsächlich einen Unterschied zwischen ihnen gibt.
Das erste Thema ist die sogenannte Euro-Rettung. Nun sind die Verhandlungen gestern gescheitert. In der Tat muss man deswegen die zentrale Frage aufwerfen: Wie seriös ist es angesichts des bisherigen Verhandlungsstandes überhaupt, in dieser Woche einen Haushalt zu beschließen? Wer von Ihnen kann denn wirklich ausschließen, dass am Ende Entscheidungen anstehen, die auf den Haushalt durchschlagen? Also: Am Ende stellen wir nur einen ungedeckten Scheck aus.
Europa. Dieses Wort ist im Sprachgebrauch inzwischen untrennbar verbunden mit dem Begriff „Krise“. Aber wofür könnte Europa stattdessen stehen? Europa könnte für die große Menschheitshoffnung auf Frieden stehen. Europa könnte dafür stehen, dass die sozialen Grundrechte eben nicht nur Theorie sind, sondern verwirklicht werden. Europa könnte als Kraft des Fortschritts für die Beendigung von Rassismus und Nationalismus stehen.
Leider muss ich all dies im Konjunktiv formulieren; denn der Kurs von Schwarz-Gelb in Europa führt in eine andere Richtung. Man muss sagen: Durch Ihren Kurs wird die Krise deutlich verschärft. Ja, Frau Merkel, es sind Ihre Kürzungsauflagen, die mit dazu führen, dass Schwangere in Griechenland nur dann in einen Kreißsaal gelassen werden, wenn sie Geld hinblättern. Es sind Ihre Kürzungsauflagen, die dazu führen, dass es in Kinderkrankenhäusern an dem Überlebensnotwendigen fehlt.
Das Kürzungsdiktat führt aber nicht nur zu humanitären Katastrophen. Es ist auch volkswirtschaftlich falsch. Mit diesem Kürzungsdiktat reiten Sie Europa weiter in die Krise. Das wird letztlich auch für unser Land zum Bumerang werden; denn auch deutsche Unternehmen sind auf die Nachfrage in Südeuropa angewiesen. Das ist doch ganz einfach: Wenn Lohn- und Rentenkürzungen in Südeuropa zu einer flächendeckenden Verarmung führen, spätestens dann werden wir merken, dass sich dort kaum noch jemand einen Fernseher, ein Fahrrad und anderes leisten kann. Das heißt auch, dass man dorthin nichts mehr exportieren kann. Dann wird die Krise auch hier ganz anders zutage treten. Deshalb sagen wir als Linke ganz klar: Wir wollen einen Marshallplan, wir wollen einen sozial-ökologischen Umbau in Europa, und dafür muss man Geld in die Hand nehmen.
Das erste Thema ist die sogenannte Euro-Rettung. Nun sind die Verhandlungen gestern gescheitert. In der Tat muss man deswegen die zentrale Frage aufwerfen: Wie seriös ist es angesichts des bisherigen Verhandlungsstandes überhaupt, in dieser Woche einen Haushalt zu beschließen? Wer von Ihnen kann denn wirklich ausschließen, dass am Ende Entscheidungen anstehen, die auf den Haushalt durchschlagen? Also: Am Ende stellen wir nur einen ungedeckten Scheck aus.
Europa. Dieses Wort ist im Sprachgebrauch inzwischen untrennbar verbunden mit dem Begriff „Krise“. Aber wofür könnte Europa stattdessen stehen? Europa könnte für die große Menschheitshoffnung auf Frieden stehen. Europa könnte dafür stehen, dass die sozialen Grundrechte eben nicht nur Theorie sind, sondern verwirklicht werden. Europa könnte als Kraft des Fortschritts für die Beendigung von Rassismus und Nationalismus stehen.
Leider muss ich all dies im Konjunktiv formulieren; denn der Kurs von Schwarz-Gelb in Europa führt in eine andere Richtung. Man muss sagen: Durch Ihren Kurs wird die Krise deutlich verschärft. Ja, Frau Merkel, es sind Ihre Kürzungsauflagen, die mit dazu führen, dass Schwangere in Griechenland nur dann in einen Kreißsaal gelassen werden, wenn sie Geld hinblättern. Es sind Ihre Kürzungsauflagen, die dazu führen, dass es in Kinderkrankenhäusern an dem Überlebensnotwendigen fehlt.
Das Kürzungsdiktat führt aber nicht nur zu humanitären Katastrophen. Es ist auch volkswirtschaftlich falsch. Mit diesem Kürzungsdiktat reiten Sie Europa weiter in die Krise. Das wird letztlich auch für unser Land zum Bumerang werden; denn auch deutsche Unternehmen sind auf die Nachfrage in Südeuropa angewiesen. Das ist doch ganz einfach: Wenn Lohn- und Rentenkürzungen in Südeuropa zu einer flächendeckenden Verarmung führen, spätestens dann werden wir merken, dass sich dort kaum noch jemand einen Fernseher, ein Fahrrad und anderes leisten kann. Das heißt auch, dass man dorthin nichts mehr exportieren kann. Dann wird die Krise auch hier ganz anders zutage treten. Deshalb sagen wir als Linke ganz klar: Wir wollen einen Marshallplan, wir wollen einen sozial-ökologischen Umbau in Europa, und dafür muss man Geld in die Hand nehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
In den Debatten über die
Euro-Rettung konnten wir hier oft SPD-Redner erleben, die Frau Merkel heftigst
attackierten. Ja, reden können sie. Das lassen sich einige auch gut entlohnen.
Am Ende lief es aber ab wie bei einer dieser Castingshows, wo die Kandidaten im
Scheinwerferlicht miteinander konkurrieren und hinterher im Backstagebereich
heftig flirten. Am Ende haben SPD und Grüne dem Fiskalpakt und der sogenannten
Euro-Rettung leider treu und brav zugestimmt.
Das Schlimme daran war nicht nur ihre Entscheidung, sondern vor allem die Begründung. Es hieß: Wir müssen die Finanzmärkte stabilisieren; wir müssen die Finanzmärkte beruhigen. Das sind verdammt teure Beruhigungspillen. Es war doch genau diese Haltung, das Erstarren vor den Finanzmärkten wie das Kaninchen vor der Schlange, die uns in diese Krise hineingeführt hat. Wenn uns die Krise eines deutlich vor Augen geführt hat, dann, dass wir die Finanzmärkte an die Kandare nehmen müssen. Deswegen lautet das Gebot der Stunde nicht, milliardenschwere Baldriantabletten für die Finanzmärkte in die Hand zunehmen, sondern Regulierung. Sparkassen statt Zockerbanden das ist das Gebot der Stunde.
Das Schlimme daran war nicht nur ihre Entscheidung, sondern vor allem die Begründung. Es hieß: Wir müssen die Finanzmärkte stabilisieren; wir müssen die Finanzmärkte beruhigen. Das sind verdammt teure Beruhigungspillen. Es war doch genau diese Haltung, das Erstarren vor den Finanzmärkten wie das Kaninchen vor der Schlange, die uns in diese Krise hineingeführt hat. Wenn uns die Krise eines deutlich vor Augen geführt hat, dann, dass wir die Finanzmärkte an die Kandare nehmen müssen. Deswegen lautet das Gebot der Stunde nicht, milliardenschwere Baldriantabletten für die Finanzmärkte in die Hand zunehmen, sondern Regulierung. Sparkassen statt Zockerbanden das ist das Gebot der Stunde.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme zum zweiten zentralen
Bereich, zu Hartz IV. Erinnern Sie sich noch an die Debatten über den
Hartz-IV-Regelsatz? Das glich rhetorisch einer Schlacht der Gigantinnen. Am
Ende - welche Überraschung - lag der Unterschied bei 3 Euro. Von einem
Regelsatz, der wirkliche Teilhabe garantiert, sind leider SPD wie CDU/CSU weit
entfernt.
Beide sind leider auch weit davon entfernt, die Sanktionen abzuschaffen. Wie diese wirken, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Eine Dresdnerin das hat sie mir erzählt, als sie mich aufsuchte, sitzt in einem Vorstellungsgespräch. Am Ende dieses Gesprächs geht es um den Lohn. Dabei rutscht ihr der Satz heraus: Ups, der ist ja niedriger als Hartz IV. - Der Arbeitgeber meldet dies dem Jobcenter. Daraufhin wird dieser Frau Hartz IV um 30 Prozent gekürzt.
Auch das ist Kern und Wesen von Hartz IV: Die Menschen sollen gefügig gemacht werden, sollen Dumpinglöhne akzeptieren. Hartz-IV-Sanktionen untergraben aber die Grundrechte. Ich möchte eine Gesellschaft, in der sich niemand als Untertan auf einem Amt fühlt. Ich möchte eine Gesellschaft, in der niemand auf einem Amt schikaniert werden kann. Auch deswegen sagt die Linke: Wir wollen Hartz IV durch eine soziale, sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen.
Beide sind leider auch weit davon entfernt, die Sanktionen abzuschaffen. Wie diese wirken, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Eine Dresdnerin das hat sie mir erzählt, als sie mich aufsuchte, sitzt in einem Vorstellungsgespräch. Am Ende dieses Gesprächs geht es um den Lohn. Dabei rutscht ihr der Satz heraus: Ups, der ist ja niedriger als Hartz IV. - Der Arbeitgeber meldet dies dem Jobcenter. Daraufhin wird dieser Frau Hartz IV um 30 Prozent gekürzt.
Auch das ist Kern und Wesen von Hartz IV: Die Menschen sollen gefügig gemacht werden, sollen Dumpinglöhne akzeptieren. Hartz-IV-Sanktionen untergraben aber die Grundrechte. Ich möchte eine Gesellschaft, in der sich niemand als Untertan auf einem Amt fühlt. Ich möchte eine Gesellschaft, in der niemand auf einem Amt schikaniert werden kann. Auch deswegen sagt die Linke: Wir wollen Hartz IV durch eine soziale, sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum dritten Bereich, zur Rente. Wir
wissen: Niedrige Löhne führen am Ende auch zu niedrigen Renten. Insofern ist
unser Einsatz für gute Arbeit auch ein Einsatz für gute Renten. Unser
Rentenkonzept sieht eine Rentenversicherung vor, in die alle einzahlen. Wir
wollen außerdem eine solidarische Mindestrente, die wirklich vor Altersarmut
schützt. Das ist eine Alternative zur drohenden Altersarmut: eine armutsfeste
Rente und die Garantie, dass man im Alter nicht ins Bodenlose fällt.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Modelle von SPD und CDU/CSU -
egal wie sie bezeichnet werden - werden dem nicht gerecht. Die inzwischen zur
Lebensleistungsrente degradierte Zuschussrente wird gerade einmal 2 Prozent der
Geringverdienenden irgendwie helfen.
Ich finde, dass wir in diesem Bereich nicht kleckern dürfen; denn inzwischen ist Altersarmut auch in diesem Land Realität. Davon zeugt zum Beispiel das Schicksal einer 82-Jährigen, die mich vor einigen Wochen in meinem Wahlkreisbüro aufsuchte. Wegen einer Behinderung durfte sie ihr Leben lang nur halbtags arbeiten. Deswegen hat sie eine niedrige Rente. Sie hat fein säuberlich aufgeschrieben, wie viel Geld ihr pro Tag nach den notwendigen monatlichen Abzügen zum Leben bleibt: 8,47 Euro. Das reicht, um nicht zu verhungern. Aber viel mehr ist nicht drin. 8,47 Euro bedeuten beispielsweise, dass sie das letzte Mal vor 20 Jahren im Theater war. Bei Anschaffungen wird es schwierig. Sie sagte zu mir: Für den Sommer habe ich Sandaletten und für den Winter Stiefel. Aber was mache ich in der Übergangszeit? Da muss ich mich entscheiden, ob ich schwitze oder friere. So sieht Altersarmut in diesem Land aus. Das haben alle bisherigen Bundesregierungen mit zu verantworten; denn niemand von Ihnen hatte den Mut und die Courage, eine Mindestrente einzuführen, die sicher vor Altersarmut schützt. Damit muss jetzt Schluss sein.
Ich finde, dass wir in diesem Bereich nicht kleckern dürfen; denn inzwischen ist Altersarmut auch in diesem Land Realität. Davon zeugt zum Beispiel das Schicksal einer 82-Jährigen, die mich vor einigen Wochen in meinem Wahlkreisbüro aufsuchte. Wegen einer Behinderung durfte sie ihr Leben lang nur halbtags arbeiten. Deswegen hat sie eine niedrige Rente. Sie hat fein säuberlich aufgeschrieben, wie viel Geld ihr pro Tag nach den notwendigen monatlichen Abzügen zum Leben bleibt: 8,47 Euro. Das reicht, um nicht zu verhungern. Aber viel mehr ist nicht drin. 8,47 Euro bedeuten beispielsweise, dass sie das letzte Mal vor 20 Jahren im Theater war. Bei Anschaffungen wird es schwierig. Sie sagte zu mir: Für den Sommer habe ich Sandaletten und für den Winter Stiefel. Aber was mache ich in der Übergangszeit? Da muss ich mich entscheiden, ob ich schwitze oder friere. So sieht Altersarmut in diesem Land aus. Das haben alle bisherigen Bundesregierungen mit zu verantworten; denn niemand von Ihnen hatte den Mut und die Courage, eine Mindestrente einzuführen, die sicher vor Altersarmut schützt. Damit muss jetzt Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Unterschiede zwischen SPD und
CDU/CSU in der Rentenpolitik muss man mit der Lupe suchen. Aber die
Gemeinsamkeiten springen sofort ins Auge. Gemeinsam haben Sie die Rente erst ab
67 zu verantworten. Gemeinsam haben Sie sich für eine Senkung des Rentenniveaus
ausgesprochen. Gemeinsam haben Sie bisher die Angleichung des Rentenwertes Ost
an den Rentenwert West immer wieder hinausgeschoben.
Nun ist etwas Bewegung in die Frage der Ostrenten gekommen. Herr Steinbrück hat das als ein wichtiges Thema erkannt. Ich sage: Das ist ein wirklicher Erfolg der Linken. Wir haben dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
Nun ist etwas Bewegung in die Frage der Ostrenten gekommen. Herr Steinbrück hat das als ein wichtiges Thema erkannt. Ich sage: Das ist ein wirklicher Erfolg der Linken. Wir haben dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
(Beifall bei der LINKEN)
Hier zeigt sich einmal mehr: Die
Linke wird immer mehr zum Ideengeber, zur Ideenwerkstatt. Es ist gut, wenn Sie
bei uns abschreiben. Keine Sorge, wir nehmen dafür auch keine Gebühren.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit wir andere Wege in diesem Land
einschlagen können, braucht es ein breites Bündnis für eine faire Umverteilung
und einen sozial-ökologischen Umbau. Dazu möchten wir einladen. Doch wie
reagieren Sie, Herr Steinbrück? Aus purer Ideologie schließen Sie jegliche
Kooperation aus. Ich meine, wer so handelt, der macht vor allen Dingen eines:
Er schafft eine Überlebensversicherung für eine CDU-Kanzlerin Merkel.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer so agiert, ist vielleicht ein
Versicherungsmakler, wenn es um Überlebensversicherungen für CDU-Kanzlerinnen
geht, aber er verhindert auf jeden Fall einen wirklichen Wechsel. Sie
verhindern mit diesem Agieren die Einführung von Mindestlöhnen, Mindestrenten
und einer Mindestsicherung. Sie verhindern die Einführung einer
Bürgerversicherung, und Sie verhindern den Stopp von Rüstungsexporten. Das
haben Sie zu verantworten.
(Beifall bei der LINKEN)
An dem vorliegenden Haushalt ist
viel zu kritisieren. Ich möchte das an zwei Zahlen verdeutlichen. Die Linke hat
vorgeschlagen, 22 Millionen Euro mehr für den Kampf gegen die Ausbreitung von
Neonazis einzusetzen. 22 Millionen Euro sind nicht viel im Vergleich zum
Volumen des gesamten Haushalts. Als die Studie „Die Mitte im Umbruch“
vorgestellt worden ist, waren wir alle betroffen. Wir haben gehört, dass jeder
Vierte ausländerfeindlich und fast jeder Zehnte antisemitisch ist. Solch ein
Befund erfordert mehr als bloße Betroffenheit. Da muss man doch etwas tun. Aber
Sie waren nicht einmal bereit, etwas Geld in die Hand zu nehmen, um den Kampf
gegen Rechtsradikalismus zu unterstützen. Das ist wirklich peinlich.
(Beifall bei der LINKEN)
8,6 Milliarden Euro - um diese Summe
sollen die Mittel im Bereich Arbeitsmarkt gesenkt werden. Das ist eine massive
Kürzung. Ihre Begründung, dass Sie hier aufgrund der sinkenden
Arbeitslosenzahlen kürzen, zieht einfach nicht; denn die Zahlen werden im
nächsten Jahr nicht so sehr sinken. Hier zeigt sich eines ganz klar: Sie wollen
den Haushalt zulasten der Arbeitsmarktpolitik sanieren. Das ist ein Preis, den
man eigentlich nicht zahlen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
In Haushaltsdebatten wird gern
darüber gesprochen, was wir uns alles nicht leisten können. Ich möchte über
drei Punkte sprechen, die wir uns aus Sicht der Linken tatsächlich nicht
leisten können.
Erstens. Verzicht auf einen Mindestlohn. Wenn wir einen flächendeckenden Mindestlohn hätten, dann hätten wir weniger Ausgaben, zum Beispiel für aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Wenn wir höhere Löhne hätten, gäbe es mehr Einnahmen bei den Sozialversicherungen. Prognos hat es ausgerechnet: Ein flächendeckender Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde würde zu insgesamt 12 Milliarden Euro mehr in den Haushalten und den Sozialkassen führen. Das ist doch nicht nichts. Wir können es uns einfach nicht leisten, wie Schwarz-Gelb es handhabt, aus ideologischen Gründen darauf zu verzichten. Mit dieser Form von Ideologie muss Schluss sein, auch aus haushalterischen Gründen.
Erstens. Verzicht auf einen Mindestlohn. Wenn wir einen flächendeckenden Mindestlohn hätten, dann hätten wir weniger Ausgaben, zum Beispiel für aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Wenn wir höhere Löhne hätten, gäbe es mehr Einnahmen bei den Sozialversicherungen. Prognos hat es ausgerechnet: Ein flächendeckender Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde würde zu insgesamt 12 Milliarden Euro mehr in den Haushalten und den Sozialkassen führen. Das ist doch nicht nichts. Wir können es uns einfach nicht leisten, wie Schwarz-Gelb es handhabt, aus ideologischen Gründen darauf zu verzichten. Mit dieser Form von Ideologie muss Schluss sein, auch aus haushalterischen Gründen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Ausgaben für das Militär.
Wir haben es ausgerechnet: Pro Einwohner geben wir für das Militär im Jahr 400
Euro aus. Es ist sehr interessant: An allen wichtigen Stellen wird gekürzt. Für
den Kitaausbau und den Kampf gegen Rechtsextremismus ist kein Geld vorhanden,
aber beim Militär sind wir großzügig. Ich meine, diese Großzügigkeit können wir
uns nicht mehr leisten. Hier gilt es, Geld einzusparen.
(Kauder muss seine Seriosität stets unter Beweis stellen:)
(Beifall bei der LINKEN - Volker
Kauder (CDU/CSU): Wir schaffen die NVA ab!)
Drittens. Steuergeschenke an
Superreiche, an Millionäre und an Konzerne. Die Steuerpolitik der
vorangegangenen Bundesregierungen hat Konzerne und Reiche steuerlich enorm
entlastet. Die Senkung des Spitzensteuersatzes und die Senkung der
Körperschaftsteuer sind nur einige Beispiele. Die Gewerkschaft Verdi hat
ausgerechnet, wie viel Geld uns durch diese Steuergeschenke seit dem Jahr 2000
durch die Lappen gegangen ist. Insgesamt wären auf allen Ebenen rund 500
Milliarden Euro zusammengekommen. Dieses Geld fehlt in den öffentlichen Kassen,
zum Beispiel für den Ausbau von Kitas. 500 Milliarden Euro Steuerverlust seit
2000 - diese Großzügigkeit gegenüber den Reichen und den Konzernen können wir
uns nicht mehr leisten. Deswegen sagen wir ganz klar: Wir brauchen jetzt einen
Kurswechsel hin zu Steuergerechtigkeit, hin zu einer couragierten Besteuerung
von Reichen und von Konzernen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, ich fasse
zusammen: Die Probleme sind groß. Ich glaube, angesichts dessen müssen wir hier
mehr leisten als eine Show im Scheinwerferlicht. Es geht um mehr als um
Scheingefechte im Scheinwerferlicht. Es geht darum, wirkliche Alternativen zur
Abstimmung zu stellen. Die Vorschläge der Linken zeigen diese auf. Ein erster
Schritt wäre, wenn Sie unseren Änderungsanträgen heute zustimmen.
Vielen Dank.
Vielen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)