Truppenübungsplatz: Kolumbianer in den Vereinigten Arabischen Emiraten Quelle: Samana |
Keine Muslime: Fast 900 ehemalige Soldaten der kolumbianischen Armee haben Verträge mit der Armee der Vereinigten Arabischen Emirate unterschrieben. Sie bekommen bis zu 18.000 US$ monatlich. Zu welchem Zweck?
Seit den Skandalen um die Privatarmee Blackwater-Xe stutzen wir, wenn wir über Söldner in Nahost hören.
Heute entsteht in den Vereinigten Emiraten, die die meisten - so landläufig wie falsch - mit Dubai gleichsetzen, eine auf den ersten Blick merkwürdige Truppe. Die Armee der muslimischen Emirate stellt, versteckt in der Wüste, lateinamerikanische Bataillone auf.
Viele der Besten verlassen die kolumbianische Armee. Darunter besonders erfahrene Militärs aus Spezialeinheiten. Motiv und Auswirkungen sind in Kolumbien umstritten. Die Gründe seien finanzieller Natur.
„Aber man kann nicht viel tun, weil es nichts Illegales ist."
zitiert die kolumbianische Zeitung „Semana“ vom 30. Juni 2012 einen General.
Kolumbianische Söldner sind im Nahen und Mittleren Osten keine Seltenheit. Sie wurden schon im Irak eingesetzt. Die Aktion fiel im Jahr 2006 nur deshalb auf, weil viele von dem privaten Söldnerunternehmen „ID-Systems“ um ihren Sold betrogen wurden.
Soldaten oder Söldner
In den Emiraten liegt die Sache anders. Die kolumbianischen Soldaten schließen ihre Verträge direkt mit der Regierung der VAE und gelten demnach nicht als Söldner, sondern als reguläre Soldaten der VAE. Aus emiratischer Sicht gar nicht so abwegig, setzt doch das Land mit seinem 85%igem (!) Ausländeranteil viele Ausländer aus Asien und Europa für Hoheitsaufgaben, auch im Sicherheitsapparat, ein. Der kolumbianische Soldatenhandel wird durch die einheimische Firma "Reflex Responses Management Consultancy LLC (R2)", die vor genau zwei Jahren einen Vertrag mit dem Herrscherhaus Al Nayan schloß, vermittelt. Seit Mai 2011 sind angeblich (nur) knapp 850 Kolumbianer angeheuert worden. Insider schätzen "Hinter der Fichte" gegenüber die Zahl höher. Auch die deutsche Webseite „Hallo Dubai“ meint:
„Zudem bleibt anzumerken, dass auch uns aufgefallen ist, dass es tatsächlich immer mehr Kolumbianer gibt im Land.“
Zehnfacher Sold
Die VAE zahlen den Kolumbianern fünf-bis zehnmal mehr als Kolumbien. Bei den Angeheuerten handelt es sich nicht nur um einfache Infanteristen. Die VAE stellen eine komplette Special Forces-Einheit in Brigadestärke inklusive aller Offiziere und ziviler technischer Experten auf. Ein aktiver Soldat hat in Kolumbien rund 530 US$ Gehalt, in den Emiraten 2.800 US$. Ein Leutnant der zu Hause 780 US$ bekommt, erhält in Abu Dhabi 3.600 US$. Ein Oberst kommt statt 3.000 auf 18.000 US$ in den Emiraten.
„Ich sparte 53 Millionen Pesos pro Jahr, genug zum Kauf eines Hauses. Dazu wäre ich nach zehn Jahren in der Armee nicht in der Lage.“
wird ein Offizier zitiert. Stattliche Summen. Für Soldaten, die bisher auch für Bruchteile dieser Summe in einem der gefährlichsten Länder der Welt dienten. Kolumbien rangiert mit 45 Gewalttoten pro 100.000 Einwohner auf Platz 5 der internationalen Statistik, noch weit vor Guatemala, Südafrika, Sudan, Kongo oder Somalia. Was sonst wäre ein Motiv, ihnen bis zum Fünffachen zu zahlen, wenn die Mission in Nahost nicht gefährlicher wäre?
Fata Morgana: „bedrohte Emirate“
Die offizielle Begründung klingt nicht nur dünn, sie ist es: Die VAE wären verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt, die sie verwundbar machten und bräuchten deshalb eine schnelle Aufstockung ihres Personals.
„Unsere Mission umfasst verschiedene Aspekte der städtischen Verteidigung gegen terroristische Anschläge und zivile Aufstände und Grenzkonflikte mit dem Iran."
erklärt der für die Rekrutierung zuständige Ex-Beamte.
Diese vorgebliche Offenheit ist weit entfernt von der Realität. Die Vereinigten Arabischen Emirate verfügen über ein System der Inneren Sicherheit, dass sich ein ums andere mal als hocheffizient in Prävention und Aufklärung erweist: Ob es illegale Waffenlieferungen in den Jemen, die in Dubai entdeckten Paketbomben oder der Mossad-Mord an einem Palästinenser war. Terrorhysterie oder gar -anschläge sind hier kein Thema. Das Land gilt als eines der sichersten der Welt.
Die Emirate haben auch keine Probleme mit dem "Arabischen Frühling". Das Gros der im Land Beschäftigten sind asiatische Ausländer, die ohne Job sofort das Land verlassen müssen. Kleinere Aktionen wie 2010, als Arbeiter im Industriegebiet von Jebel Ali (Handelsfreizone, Hafen, Industrieanlagen) wegen fehlender Lohnzahlungen durch ihre Arbeitgeber auf die Barrikaden gingen und die Magistrale Sheikh Zayed Road blockierten, bekommt man schnell in den Griff. Die Köpfe des Miniaufstandes wurden kurzerhand durch die Polizei separiert und ausgewiesen. Trotz hoher Arbeitslosigkeit unter den Emiratis - von bis zu offiziellen 20% - funktioniert deren soziale Absicherung. Ein Emiratisierungs-Programm soll daneben mehr von ihnen in Positionen bringen, die heute in der Wirtschaft und Bankwesen von Pakistanern, Indern und natürlich britischen Unternehmern eingenommen worden sind.
Emirate sind eine militärische Größe
Ihre „schwachen“ militärischen Kapazitäten von 50.000 Soldaten reichten jedenfalls aus, am Krieg gegen Libyen mit eigenen Truppen am Boden und in der Luft teilzunehmen oder mit Saudi-Arabien gemeinsam in Bahrain einzumarschieren und derweil die „bedrohten“ Emirate allein zu lassen.
Iran bedroht die Emirate nicht
Die Emirate sind von Oman und Saudi-Arabien sowie dem Golf umschlossen; die wiederum von weiteren arabischen Staaten, mit denen sie eine Beistands-Union, den Golf-Kooperations-Rat GCC, bilden. Es gibt engste Beziehungen zur USA und Großbritannien, die Hauptwaffenlieferanten der VAE sind und zur 5. US-Flotte in Bahrain, deren Operationsgebiet im Golf liegt. Laut BBC wurde erst im Juni die Flotte um vier Minensuchboote und das USS Ponce verstärkt. Der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln habe die Straße von Hormus problemlos passiert. Auch der Flugzeugträger USS Enterprise befindet sich offenbar in der Region.
Der Iran stellt ebenfalls keine Bedrohung dar. Die UAE haben noch nicht einmal eine gemeinsame Grenze mit dem Iran. Selbst die dem Iran gegenüberliegende Nordspitze der Emirate, bei Ras Al Kaimah, wird vom Oman mit seiner Exklave Musandam gedeckt. Es gibt lediglich seit langem einige Streitereien um die winzige Insel Abu Musa, die aber unter den maßgeblichen Kreisen in Abu Dhabi nicht sehr hoch gehängt werden. Zudem sind die von den VAE gegen den Iran verbal an den Tag gelegten Feindlichkeiten vor allem dem Druck der USA zuzuschreiben, wie Wikileaks enthüllte. Zu viel Kapital haben iranische Geldgeber in die Entwicklung der Emirate, vor allem Dubai, gesteckt, deren Einfluss freilich bis heute fortbesteht. Visarestriktionen haben dazu geführt, dass junge Iraner kaum eine Chance haben, sich in den Emiraten niederzulassen. Ein Konflikt mit Iran kann ergo nicht der Grund für die wachsende Zahl der Elite-Kämpfer aus Lateinamerika sein.
Die kolumbianische Einheit ist in „Zayed Military City“, einer Militärbasis in der Wüste, am Highway Dubai - Abu Dhabi stationiert. Semana berichtet von wochenlangen intensiven Einstellungs-Tests, einschließlich Fallschirmspringen, Aufklärung, Scharfschützen und Geiselbefreiung.
In der kolumbianischen Armee macht sich nun Sorge breit, die besten Soldaten zu verlieren, weil die VAE die Truppe auf 3.000 aufstocken könnte.
Die Emirate geben 2 Milliarden Dirham für Kolumbianer aus. 530 Millionen Dollar. Warum?
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