Montag, 11. August 2014

Pepe Escobar: NATO ist auf Krieg aus

Der brasilianische Journalist und Globetrotter Pepe Escobar untersucht und publiziert wie kaum ein zweiter über die Folgen der Globalisierung und des amerikanischen Exzeptionalismus.
Er ist als Autor und Kolumnist u. a. für Asia Times und RT tätig. Pepe Escobar ist der Autor von Büchern zu diesem Thema wie “Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War”, Nimble Books, 2007, “Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge”, Nimble Books, 2007, und “Obama does Globalistan”, Nimble Books, 2009. Mit herzlichem Dank von "Hinter der Fichte" an Pepe für die Genehmigung seinen Artikel autorisiert zu veröffentlichen.
 

Die NATO ist dringend auf Krieg aus
von Pepe Escobar

Die Organisation des Nordatlantikvertrages NATO ist verzweifelt. Es juckt sie nach einem Krieg um jeden Preis auf dem Schlachtfeld Ukraine.
Beginnen wir mit dem Pentagon-Oberhaupt US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, der über die „Bedrohung“ durch den russischen Bären ins Schwärmen geriet: „Wenn Sie den Aufmarsch der russischen Soldaten sehen und die Perfektion dieser Truppen, die Ausbildung dieser Truppen und die schwere militärische Ausrüstung die sich entlang der Grenze befindet, das ist natürlich eine Realität, es ist eine Bedrohung, es ist eine Möglichkeit – absolut.“ Die NATO-Sprecherin Oana Lungescu konnte nicht näher erklären, ob es nun „Bedrohung“ oder „Realität“ ist, absolut oder nicht, aber sie hat alles gesehen: „Wir raten nicht, was Russlands vorhat, sondern wir können sehen was Russland vor Ort tut – und das ist sehr Besorgnis erregend. Russland hat rund 20.000 kampfbereite Soldaten an der Ostgrenze der Ukraine zusammengezogen.“ Typisch für sie, im absolut exakten NATOsprech, fügte Lungescu hinzu, dass Russland „höchstwahrscheinlich“ Soldaten in die Ostukraine senden würde unter dem Deckmantel einer „humanitären oder friedensstiftenden Mission“. Und damit basta.
Hagel und seine ferngesteuerte rumänische Lakaiin haben offensichtlich diese ausführliche Erklärung des Sprechers der russischen Luftstreitkräfte nicht gelesen oder sie einfach ignoriert: Die „Bedrohung“ oder der „Aufmarsch“ endeten diesen Freitag, dem letzten Tag der russischen zuvor angekündigten Manöver.

„Fogh of War“ wird kribbelig
(Benerkung. "Fogh of War" ist ein Wortspiel mit dem Vornamen von Anders Fogh Rasmussen, im englischen Fog = Nebel; Fog of War = „Kriegsnebel“, HB)
Wie gerufen, aufs Stichwort, kam NATO Generalsekretär Anders „Fogh of War“ Rasmussen in Kiew an. Praktisch mit Kriegsschaum vorm Mund, bereit die Basis für den NATO-Gipfel in Wales am 04. September zu schaffen, wenn die Ukraine, erhoben zum wichtigen Nicht-NATO-Alliierten, in Lichtgeschwindigkeit komplett NATO-bewaffnet werden könnte. Dazu kommt, dass die NATO dabei ist, ernsthaft „aufzumarschieren“ in Polen, Rumänien, dem Baltikum und auch der Türkei. Doch es begannen alle Arten der Khaganate von Nulands (nach Victoria Nuland, Stellv. US-Außenministerin für Europäische und eurasische Beziehungen) Abkömmlingen außer Kontrolle zu geraten. Man kann sich den aufgeblasenen Fogh of War vorstellen, wie er vergeblich versucht seine Fassung wiederzuerlangen. Das brauchte einigen Aufwand, da ihm das Schauspiel des ukrainischen Präsidenten Pedro Poroschenko präsentiert wurde – ein ausgewiesener Oligarch, verfolgt von krummen Geschäften – der krampfhaft versucht, die Maidan-Originale von dem Platz im Zentrum Kiews zu vertreiben; das sind die Leute die Ende letzten Jahres den Protest begannen, der später vom Banderastan/Rechter Sektor, Neonazis, den US-Neocon-Herren gekapert wurden. Die originalen Maidan-Proteste – eine Art Occupy Kiew – waren gegen die monströse Korruption und für ein Ende des immerwährenden ukrainischen Tanzes der Oligarchen. Was die Protestler bekamen, war noch mehr Korruption; den üblichen Oligarchentanz; einen gescheiterten Staat im Bürgerkrieg und eine erklärte ethnische Säuberung von mindestens 8 Millionen Bürgern; und obendrein einen gescheiterten Staat auf dem Weg zur weiteren Verarmung durch die „Strukturanpassung“ des IWF. Kein Wunder, dass die den Maidan nicht verlassen wollen. So hat der Remix des Maidan schon begonnen, noch vor der Ankunft von General Winter. Schokoladen-König Poroschenko muss sie vertreiben, so schnell er kann, weil neue Kiewer Proteste nicht in das Narrativ der hysterischen Westmedien passen, dass „alles Putins Schuld ist“. Vor allem ist die Korruption noch scheußlicher als zuvor – mit reichlich Neonazi Beigeschmack. Während Fogh of War schon wütend ist, weil „Russland nicht einmarschieren wird“, entschied der großspurig „Sekretär“ des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates genannte Neonazi Andrej Parubij – der höchstwahrscheinliche Kandidat, den Abschuß der MH17 Passagiermaschine letzten Monat befohlen zu haben – auszusteigen. Eine ausgewiesene Ratte verlässt das sinkende Schiff; zum Großteil provoziert von der Tatsache, dass er keine ausgedehnte ethnische Säuberung im Schnelldurchlauf in der Ostukraine bekam und er einen Waffenstillstand zu erdulden hatte. Poroschenko ist kein Idiot; nach haufenweise schlechter PR weiß er, seine landesweite „Unterstützung“ verflüchtigt sich von Minute zu Minute.
Zu allem Übel kommt wieder ein US-Raketenkreuzer ins Schwarze Meer „um Frieden zu bringen“. Der Kreml und die russische Aufklärung sehen das als das was es ist.

Und dann ist da noch die erschreckende Flüchtlingskrise die sich in der Ostukraine aufbaut. Am vergangenen Dienstag verlangte Moskau in einer UN-Sicherheitsrats-Sitzung humanitäre Notfallmaßnahmen. Wie abzusehen war - vergeblich. Washington blockte, weil Kiew geblockt hatte („Da ist keine humanitäre Katastrophe zu beenden.“). Der russische Botschafter Vitaly Tschurkin beschrieb die Situation in Donezk und Lugansk als „desaströs“ und unterstrich, dass Kiew seine militärischen Operationen intensiviert. Laut UN selbst sind mindestens 285.000 Menschen Flüchtlinge in der Ostukraine geworden. Kiew insistiert, die Zahl der internen Flüchtlinge sei „nur“ 117.000. Die UN bezweifelt das. Moskau erklärt, die gigantische Zahl von 730.000 Ukrainer seien nach Russland geflohen, die UN-Kommissarin für Flüchtlinge stimmt dem zu. Einige dieser Flüchtlinge, geflohen aus Semenowka, in Slawjansk, haben detailliert über Kiews Einsatz von N-17 berichtet, eine noch tödlichere Version als weißer Phosphor. Als Botschafter Tschurkin Donezk und Lugansk erwähnte, bezog er sich auf die Vorbereitung der Kiewer Gorillas auf einen massiven Angriff. Sie beschießen bereits das Petrowski-Viertel in Donezk. Fast die Hälfte der Einwohner von Lugansk ist geflohen, meistens nach Russland. Jene die zurückbleiben, sind größtenteils betagte Pensionäre und Familien mit kleinen Kindern.
„Humanitäre Katastrophe“ beschreibt es nicht mal im Ansatz; dort in Lugansk gibt es kein Wasser, Elektrizität, Kommunikation, Treibstoff, Medikamente. Kiews schwere Artillerie hat teilweise vier Krankenhäuser und drei Kliniken zerstört. Kurzum, Lugansk ist ein ukrainisches Gaza. In düsterer Symmetrie, sowie sie grünes Licht für Israel in Gaza gegeben hat, gibt die Obama-Administration grünes Licht den Schlächtern von Lugansk. Obama hat überlegt, ob er die Banditen des Islamischen Staates des Kalifen im Irak bombardiert oder vielleicht etwas humanitäre Hilfe bringt. Er entschied sich für (vielleicht) „begrenztes“ bombardieren und wohl weniger begrenzte Lebensmittel- und Wasserabwürfe. Lasst uns klar darüber sein. Für die US-Regierung „mag dort eine humanitäre Katastrophe sein“ in Sinjar im Irak, die 40.000 Menschen betrifft. Und mindestens 730.000 Ostukrainer, die haben das feierliche Recht, beschossen, bombardiert, aus der Luft angegriffen und zu Flüchtlingen zu werden. 

Das neue Somalia
Moskaus rote Linien sind ziemlich deutlich: NATO raus aus der Ukraine. Krim als Teil Russlands. Keine US-Soldaten irgendwo in der Nähe der russischen Grenze. Voller Schutz für die russische kulturelle Identität der Süd- und der Ostukraine. Aber die – reale – humanitäre Katastrophe (welche Washington bestreitet), ist eine ganz und gar andere ernsthafte Sache. Kiews Kräfte sind nicht ausgerüstet für einen langen Krieg in Städten. Doch angenommen diese Kräfte – eine Mischung aus regulärem Militär, oligarchenfinanzierten Terror-/Todesschwadronen, der neonaziverseuchten „freiwilligen“ ukrainischen Nationalgarde, US-trainierten ausländischen Söldnern – entscheiden sich, ein Massenblutbad in Donezk und Lugansk anzurichten, dann wird Moskau zu bedenken haben, was die NATO „eine begrenzte Bodeninvasion“ in der Ukraine nennt. Die NATO ist dumm genug zu glauben, wenn Putin eine Intervention als Friedens- oder humanitäre Mission tarnte, wäre er fähig sie der russischen öffentlichen Meinung zu verkaufen. In Wirklichkeit ist Putin nicht “einmarschiert” weil das die russische Öffentlichkeit nicht wünscht. Seine Popularität liegt bei überwältigenden 87 %. Nur ein – fast unmögliches - von Kiew verübtes Massaker würde die russische öffentliche Meinung ändern. Angesichts dessen ist es genau das was die NATO will. Fogh of War wird Überstunden machen, damit seine Vasallen ein solches Gemetzel verüben. Betrachten wir die jüngsten Entwicklungen deuten die Fakten vor Ort daraufhin, dass der Oligarchenspuk in Kiew sich auflöst - wie in diesem Beispiel hier. Moskau wird über eine „Invasion“ nicht einmal nachdenken müssen.
Derweil wird es weiter grünes Licht für Poroschenkos Zeitlupen-Völkermord in der Ostukraine und für die Niederschlagung des Maidan-Remix geben. Alle jubeln der Ukraine schon als neues Somalia zu, dem passenden Frankenstein für das einzigartige Imperium des Chaos.

Übersetzung Hinter der Fichte

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