Nicht nur Deutschland, auch Israel hat da den Bogen raus. Beschäftigt
man sich mit der israelischen Publizistik wird man – beschwerlich allerdings –
schließlich fündig. Jetzt, nach 24 Jahren bestätigte sich beispielsweise, dass
der Mossad hinter dem Anschlag auf den Arafat-Stellvertreter Abu Jihad im Jahr 1988
in Tunis steckte. Der PLO-Führer wurde in seinem Haus von 70 Kugeln durchsiebt
- vor den Augen seiner Familie. Israel bestritt sofort die Täterschaft und
schwieg danach beharrlich. „Yediot Aharonot“, die meist gelesene israelische
Tageszeitung, die Netanjahu nicht eben wohlgesonnen ist, berichtete nun, dass der Mossad für die
Planung und das Geheimkommando „Sayeret Matkal“ für die Ausführung des Mordes
verantwortlich waren. Auch für den Mord an Mahmud al-Mabhouch 2010 in den
Emiraten wird Israel verantwortlich gemacht. Für Dubai ist die Täterschaft soweit klar,
dass die Ermittler internationale Haftbefehle
für den Mossad-Chef Meir Dagan
und für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderten. Benjamin Netanjahu und sein älterer Bruder Jonathan waren einst selbst Mitglieder der streng geheimen „Sayeret Matkal“. Chef der geheimen Eliteeinheit war damals Ehud Barak, der heutige Verteidigungsminister. Die pure Existenz seiner Person unterlag strengster Geheimhaltung. So schließt sich mancher Kreis.
Seit einigen Wochen nun verärgert
ein Buch die israelische Spitze. „Fortress
Israel: The Inside Story of the Military Elite Who Run the Country – and Why
They Can’t Make Peace” von Patrick Tyler erschienen bei Farrar, Straus &
Giroux. („Festung Israel: Die Insidergeschichte der militärischen Elite die das Land führt – und warum sie keinen Frieden
machen können“)
Die vom zionistischen „David Projekt“
unterstützte Webseite „Times of Israel“ schmäht es mit den
Worten „Geschrieben mit mehr Antipathie als Wissen,...“ - unter der Überschrift „‘Fortress Israel‘ und der
Missbrauch der Geschichte.“ Was ist passiert? Der
Journalist Patrick Tyler (New York Times) hat jenes Buch über die militärische
Elite geschrieben, die Israel fest im Griff hat und „keinen Frieden machen“ kann.
Auch die Washington Post wirft
Tyler – dem prominenten Journalisten, der auch für dieses Blatt schrieb – vor,
er vereinfache die israelische Politik und das Sicherheitsdilemma dem sich
Israel gegenüber sieht. Warum sind Amerikaner und Israelis gemeinsam so angesäuert? Die bloße „Vereinfachung“ der Lage des
Aggressorstaates Israel in einem Buch könnte nicht solchen Ärger über einen
Top-Journalisten hervorrufen. Noch dazu in genau zwei Staaten, während es alle
anderen kalt lässt. Erinnern wir uns, auch der Gipfel der Blockfreien hatte
Israel in einer langen Liste als
Okkupant und Aggressor verurteilt, ohne dass großes Getöse in
Amerika entstand. Erst auf den dritten und vierten Blick fällt auf: Beide
Seiten verschweigen in ihrer künstlichen Aufregung einen wesentlichen – wenn
nicht gar den wesentlichen – Teil des
Buches. Das Komplott zwischen Israel und USA in Sachen Atomprogramm, von Tyler belegt
anhand bisher unbekannter Dokumente. Fassen wir das wichtigste zusammen.
Schöne Freunde - Israel
führt die USA hinters Licht
Israel beschloss den Bau der
Atombombe während der Amtszeit von Eisenhower (1953–1961) Anfang/Mitte der 50er Jahre. Obwohl die CIA ihn über
mögliche Atomwaffenarbeiten in Dimona informierte, dem israelischen
Atomforschungszentrum. Auch der auf ihn folgende J. F. Kennedy wurde zunächst
getäuscht. Doch 1963 war er soweit von der israelischen Bombe überzeugt, dass
er sich mit den Israelis anlegte und den
sofortigen Stopp forderte. Er lud den damaligen Premierminister Ben Gurion ein
und sagte ihm auf den Kopf zu, dass er von der Bombe wüsste. Ben Gurion
leugnete und zeigte sich bereit den USA eine Inspektion in Dimona zu erlauben.
Den Israelis gelang es während der offensichtlich nicht sehr eifrigen Kontrolle,
die Inspektoren abzulenken. Die riesigen getarnten und unterirdisch versteckten
Produktionsanlagen für Plutonium blieben ihnen verborgen. Öffentlich redeten
nun USA und Israel von einem friedlichen Atomprogramm, doch Kennedy blieb misstrauisch.
Ben Gurion sagte ihm viel später beiläufig, in einigen Jahren werde man die
Produktion von Plutonium benötigen. Das bestätigte Kennedys Mißtrauen und er
bestand auf einer weiteren Inspektion. Ben Gurion teilte er mit, "die Hilfe der
USA für Israel werde aufs Spiel gesetzt, falls seine Regierung nicht in der
Lage wäre Informationen zu erhalten, die für den Frieden so bedeutend wären,
wie die israelischen Anstrengungen auf dem Gebiet der Atomforschung.“ Kennedy
trieb Ben Gurion mit der Tatsache, dass er die Beziehungen USA-Israel
riskierte, in die Enge. Der wusste natürlich vom funktionsfähigen Reaktor in
Dimona und von der Möglichkeit dort spaltbares waffenfähiges Material herzustellen.
Erst 1986 deckte Mordechai
Vanunu das Atomprogramm der Israelis auf, wurde vom Mossad unter Bruch jeglichem nationalen und internationalen Rechts aus Rom nach Israel entführt und
saß 18 Jahre im Gefängnis. Bis heute wird er verfolgt und ist Repressalien
ausgesetzt, darf kein Handy benutzen oder das Internet. Selbst der Kontakt mit Ausländern ist ihm verboten. Vanunu blieb der einzige, der sich wagte diese Verschwörung
offenzulegen. Er trägt schwer an den Konsequenzen. Sein Leidensweg ist aber
auch ein Beispiel dafür, dass Verschwörungen gegen den Frieden - wie ein ganzes Atomprogramm
- über Jahrzehnte geheim gehalten werden und anschließend von den Medien
totgeschwiegen werden können. Doch zurück zu Ben Gurion.
Washington zieht wedelnd den Schwanz ein
Er trat, um Kennedys Druck
zu entgehen, zurück. Damit lag die ganze Angelegenheit auf Eis. Doch das nützte
nichts, Kennedy ließ nicht locker. Auch Ben Gurions Amtsnachfolger, Levi
Eshkol, wurde von ihm in Sachen Atombombe zur Rede gestellt. Bald darauf wurde
Kennedy ermordet. Schlagartig ließ der hartnäckige Druck der USA nach, als Kennedys
Stellvertreter Lyndon B. Johnson sein Amtsnachfolger wurde - für sechseinhalb Jahre.
In diese Zeit fiel auch der Vietnam-Krieg und Johnson gelang es, vor diesem Hintergrund
das Thema aus den Schlagzeilen zu halten. Er beabsichtigte, Israel alle Waffen
zu liefern die es wollte, um das Land von der Bombe abzubringen und bat nur
halbherzig um eine weitere Inspektion in Dimona. Die Israelis husteten ihn eins
und ließen die USA nicht einmal mehr nach Dimona. Johnson nahm das hin.
Auf Johnson folgte Nixon und
mit ihm Kissinger. Kissinger, Deutschamerikaner jüdischer Herkunft, war von 1969
bis 1973 Nationaler Sicherheitsberater und von 1973 bis 1979 Außenminister.
Als er sich 1969 im Weißen Haus als Nationaler Sicherheitsberater breit machte,
hatte er nichts eiligeres zu tun als der in Israel inzwischen agierenden Ministerpräsidentin
Golda Meir mitzuteilen, dass die USA keinerlei Druck auf Israel ausüben würden, obwohl
die CIA inzwischen von 10 Atombomben Israels berichtete.
1. März 1973 Oval Office, Meir, Nixon, Kissinger |
Kissinger war und ist bekannt
für Hinterhältigkeit und Opportunismus. Der spätere Vietnam-Kriegsverbrecher
mit Friedensnobelpreis, hatte sich schon 1968 während der
Präsidentschaftswahlen sowohl bei Nixon als auch bei dessen demokratischem
Widersacher Hubert Humphrey angedient. Dem versprach er Insiderinformationen
über Nixon. Egal wie die Wahl ausgegangen wäre, Kissingers Posten war
gesichert. Kissinger überlebte selbst Watergate,
hinter dem er mit seiner Arbeitsgruppe „Plumber“ steckte.
Dieser Kissinger wusste von
den israelischen Atomwaffen. Yitzak Rabin, der damals Israels Botschafter in
Washington war, bestätigte ihm persönlich die Existenz der Bomben und begründete
dies mit: „Israel benötigt die Bombe für zwei Zwecke: Erstens um die Araber
abzuschrecken Israel anzugreifen und zweitens falls die Abschreckung versage
und Israel drohe überrannt zu werden, die Araber in einem nuklearen Armageddon
zu zerstören.“ Beide Seiten waren über die Bomben Israels und die wahnsinnige Selbstmordstrategie
der Israelis informiert. Trotzdem war dies keine Thema zwischen USA und Israel.
Bei Golda Meirs Staatsbesuch in den USA am 25. September 1969 wurde das Thema
tunlichst vermieden und wenn darüber am Rande gesprochen wurde, dann schob
Nixon das Thema vor sich her und vertrat nicht seinen Standpunkt zur
Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen.
Man erkennt Kissingers Handschrift.
Tyler schreibt:
„Das US-Außenministerium sagte mir, dass es bezüglich meiner Frage nach der israelischen Bombe ‚weder bestätigen noch dementieren werde‘. Widersinnig, da mehr als ein Top-Israeli bestätigte, dass sie sie haben. Kein US-Präsident außer Kennedy hat seine volle Aufmerksamkeit auf das Problem gerichtet und es gibt keine Anzeichen dass einer es jemals tun wird.“
Tylers Vorwürfe sind
wasserdicht und enthüllend. Sie passen logisch zu den bekannten Fakten. Eine
Fülle von Ansätzen, sich mit dem israelischen Theater vor der UNO, der Rolle
und dem Tod Kennedys und - solange er noch zur Verantwortung gezogen werden kann - Kissinger auseinanderzusetzen.
Vor allem
aber soll Mordechai Vanunu nicht vergessen werden. Ein mutiger Mann, der bis heute von der
Verschwörung verfolgt wird die er aufdeckte. Und der sowohl bewies, dass es
Verschwörungen gibt, als auch dass sie aus Tausenden Leuten bestehen können, die über Jahrzehnte
schweigen. Nicht nur in der Festung Israel.