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Mittwoch, 7. November 2012

Israel: Die versteckten Atomwaffen

Ein sicheres Zeichen für eine Leiche im Keller ist krampfhaftes Schweigen von Staat und Medien, begleitet von großem Ablenkungs-Tam-Tam über andere, „von oben“ auf die Agenda lancierte, Themen.

Nicht nur Deutschland, auch Israel hat da den Bogen raus. Beschäftigt man sich mit der israelischen Publizistik wird man – beschwerlich allerdings – schließlich fündig. Jetzt, nach 24 Jahren bestätigte sich beispielsweise, dass der Mossad hinter dem Anschlag auf den Arafat-Stellvertreter Abu Jihad im Jahr 1988 in Tunis steckte. Der PLO-Führer wurde in seinem Haus von 70 Kugeln durchsiebt - vor den Augen seiner Familie. Israel bestritt sofort die Täterschaft und schwieg danach beharrlich. „Yediot Aharonot“, die meist gelesene israelische Tageszeitung, die Netanjahu nicht eben wohlgesonnen ist,  berichtete nun, dass der Mossad für die Planung und das Geheimkommando „Sayeret Matkal“ für die Ausführung des Mordes verantwortlich waren. Auch für den Mord an Mahmud al-Mabhouch 2010 in den Emiraten wird Israel verantwortlich gemacht.  Für Dubai ist die Täterschaft soweit klar, dass die Ermittler internationale Haftbefehle für den Mossad-Chef Meir Dagan und für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderten. Benjamin Netanjahu und sein älterer Bruder Jonathan waren einst selbst Mitglieder der streng geheimen „Sayeret Matkal“. Chef der geheimen Eliteeinheit war damals Ehud Barak, der heutige Verteidigungsminister. Die pure Existenz seiner Person unterlag strengster Geheimhaltung. So schließt sich mancher Kreis.
Seit einigen Wochen nun verärgert ein Buch die israelische Spitze. „Fortress Israel: The Inside Story of the Military Elite Who Run the Country – and Why They Can’t Make Peace” von Patrick Tyler erschienen bei Farrar, Straus & Giroux. („Festung Israel: Die Insidergeschichte der militärischen Elite die das Land führt – und warum sie keinen Frieden machen können“)
Die vom zionistischen „David Projekt“ unterstützte Webseite  „Times of Israel“ schmäht es mit den Worten „Geschrieben mit mehr Antipathie als Wissen,...“ - unter der Überschrift „‘Fortress Israel‘ und der Missbrauch der Geschichte.“ Was ist passiert? Der Journalist Patrick Tyler (New York Times) hat jenes Buch über die militärische Elite geschrieben, die Israel fest im Griff hat und „keinen Frieden machen“ kann. Auch die Washington Post wirft Tyler – dem prominenten Journalisten, der auch für dieses Blatt schrieb – vor, er vereinfache die israelische Politik und das Sicherheitsdilemma dem sich Israel gegenüber sieht. Warum sind Amerikaner und Israelis gemeinsam so angesäuert? Die bloße „Vereinfachung“ der Lage des Aggressorstaates Israel in einem Buch könnte nicht solchen Ärger über einen Top-Journalisten hervorrufen. Noch dazu in genau zwei Staaten, während es alle anderen kalt lässt. Erinnern wir uns, auch der Gipfel der Blockfreien hatte Israel in einer langen Liste als Okkupant und Aggressor verurteilt, ohne dass großes Getöse in Amerika entstand. Erst auf den dritten und vierten Blick fällt auf: Beide Seiten verschweigen in ihrer künstlichen Aufregung einen wesentlichen – wenn nicht gar den wesentlichen – Teil des Buches. Das Komplott zwischen Israel und USA in Sachen Atomprogramm, von Tyler belegt anhand bisher unbekannter Dokumente. Fassen wir das wichtigste zusammen.

Schöne Freunde - Israel führt die USA hinters Licht
Israel beschloss den Bau der Atombombe während der Amtszeit von Eisenhower (1953–1961) Anfang/Mitte der 50er Jahre. Obwohl die CIA ihn über mögliche Atomwaffenarbeiten in Dimona informierte, dem israelischen Atomforschungszentrum. Auch der auf ihn folgende J. F. Kennedy wurde zunächst getäuscht. Doch 1963 war er soweit von der israelischen Bombe überzeugt, dass er  sich mit den Israelis anlegte und den sofortigen Stopp forderte. Er lud den damaligen Premierminister Ben Gurion ein und sagte ihm auf den Kopf zu, dass er von der Bombe wüsste. Ben Gurion leugnete und zeigte sich bereit den USA eine Inspektion in Dimona zu erlauben. Den Israelis gelang es während der offensichtlich nicht sehr eifrigen Kontrolle, die Inspektoren abzulenken. Die riesigen getarnten und unterirdisch versteckten Produktionsanlagen für Plutonium blieben ihnen verborgen. Öffentlich redeten nun USA und Israel von einem friedlichen Atomprogramm, doch Kennedy blieb misstrauisch. Ben Gurion sagte ihm viel später beiläufig, in einigen Jahren werde man die Produktion von Plutonium benötigen. Das bestätigte Kennedys Mißtrauen und er bestand auf einer weiteren Inspektion. Ben Gurion teilte er mit, "die Hilfe der USA für Israel werde aufs Spiel gesetzt, falls seine Regierung nicht in der Lage wäre Informationen zu erhalten, die für den Frieden so bedeutend wären, wie die israelischen Anstrengungen auf dem Gebiet der Atomforschung.“ Kennedy trieb Ben Gurion mit der Tatsache, dass er die Beziehungen USA-Israel riskierte, in die Enge. Der wusste natürlich vom funktionsfähigen Reaktor in Dimona und von der Möglichkeit dort spaltbares waffenfähiges Material herzustellen.

Erst 1986 deckte Mordechai Vanunu das Atomprogramm der Israelis auf, wurde vom Mossad unter Bruch jeglichem nationalen und internationalen Rechts aus Rom nach Israel entführt und saß 18 Jahre im Gefängnis. Bis heute wird er verfolgt und ist Repressalien ausgesetzt, darf kein Handy benutzen oder das Internet. Selbst der Kontakt mit Ausländern ist ihm verboten. Vanunu blieb der einzige, der sich wagte diese Verschwörung offenzulegen. Er trägt schwer an den Konsequenzen. Sein Leidensweg ist aber auch ein Beispiel dafür, dass Verschwörungen gegen den Frieden - wie ein ganzes Atomprogramm - über Jahrzehnte geheim gehalten werden und anschließend von den Medien totgeschwiegen werden können. Doch zurück zu Ben Gurion.

Washington zieht wedelnd den Schwanz ein
Er trat, um Kennedys Druck zu entgehen, zurück. Damit lag die ganze Angelegenheit auf Eis. Doch das nützte nichts, Kennedy ließ nicht locker. Auch Ben Gurions Amtsnachfolger, Levi Eshkol, wurde von ihm in Sachen Atombombe zur Rede gestellt. Bald darauf wurde Kennedy ermordet. Schlagartig ließ der hartnäckige Druck der USA nach, als Kennedys Stellvertreter Lyndon B. Johnson sein Amtsnachfolger wurde - für sechseinhalb Jahre. In diese Zeit fiel auch der Vietnam-Krieg und Johnson gelang es, vor diesem Hintergrund das Thema aus den Schlagzeilen zu halten. Er beabsichtigte, Israel alle Waffen zu liefern die es wollte, um das Land von der Bombe abzubringen und bat nur halbherzig um eine weitere Inspektion in Dimona. Die Israelis husteten ihn eins und ließen die USA nicht einmal mehr nach Dimona. Johnson nahm das hin.

Auf Johnson folgte Nixon und mit ihm Kissinger. Kissinger, Deutschamerikaner jüdischer Herkunft, war von 1969 bis 1973 Nationaler Sicherheitsberater und von 1973 bis 1979 Außenminister. Als er sich 1969 im Weißen Haus als Nationaler Sicherheitsberater breit machte, hatte er nichts eiligeres zu tun als der in Israel inzwischen agierenden Ministerpräsidentin Golda Meir mitzuteilen, dass die USA keinerlei Druck auf Israel ausüben würden, obwohl die CIA inzwischen von 10 Atombomben Israels berichtete.

1. März 1973 Oval Office, Meir, Nixon, Kissinger
Kissinger war und ist bekannt für Hinterhältigkeit und Opportunismus. Der spätere Vietnam-Kriegsverbrecher mit Friedensnobelpreis, hatte sich schon 1968 während der Präsidentschaftswahlen sowohl bei Nixon als auch bei dessen demokratischem Widersacher Hubert Humphrey angedient. Dem versprach er Insiderinformationen über Nixon. Egal wie die Wahl ausgegangen wäre, Kissingers Posten war gesichert.  Kissinger überlebte selbst Watergate, hinter dem er mit seiner Arbeitsgruppe „Plumber“ steckte.

Dieser Kissinger wusste von den israelischen Atomwaffen. Yitzak Rabin, der damals Israels Botschafter in Washington war, bestätigte ihm persönlich die Existenz der Bomben und begründete dies mit: „Israel benötigt die Bombe für zwei Zwecke: Erstens um die Araber abzuschrecken Israel anzugreifen und zweitens falls die Abschreckung versage und Israel drohe überrannt zu werden, die Araber in einem nuklearen Armageddon zu zerstören.“ Beide Seiten waren über die Bomben Israels und die wahnsinnige Selbstmordstrategie der Israelis informiert. Trotzdem war dies keine Thema zwischen USA und Israel. Bei Golda Meirs Staatsbesuch in den USA am 25. September 1969 wurde das Thema tunlichst vermieden und wenn darüber am Rande gesprochen wurde, dann schob Nixon das Thema vor sich her und vertrat nicht seinen Standpunkt zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen.

Man erkennt Kissingers Handschrift.

Tyler schreibt:
„Das US-Außenministerium sagte mir, dass es bezüglich meiner Frage nach der israelischen Bombe ‚weder bestätigen noch dementieren werde‘. Widersinnig, da mehr als ein Top-Israeli bestätigte, dass sie sie haben. Kein US-Präsident außer Kennedy hat seine volle Aufmerksamkeit auf das Problem gerichtet und es gibt keine Anzeichen dass einer es jemals tun wird.“
Tylers Vorwürfe sind wasserdicht und enthüllend. Sie passen logisch zu den bekannten Fakten. Eine Fülle von Ansätzen, sich mit dem israelischen Theater vor der UNO, der Rolle und dem Tod Kennedys und - solange er noch zur Verantwortung gezogen werden kann - Kissinger auseinanderzusetzen.
Vor allem aber soll Mordechai Vanunu nicht vergessen werden. Ein mutiger Mann, der bis heute von der Verschwörung verfolgt wird die er aufdeckte. Und der sowohl bewies, dass es Verschwörungen gibt, als auch dass sie aus Tausenden Leuten bestehen können, die über Jahrzehnte schweigen. Nicht nur in der Festung Israel.