Ein Gespräch
mit Lacky.
Reinhard
Lakomy ist tot. In seinem letzten Interview
im MDR wirkt er ruhig und beinahe gleichmütig angesichts der Nachricht vom
unheilbaren Krebs. Wie ist ein Mensch, der in Gegenwart des besiegelten
Todes Partituren für eine Kinder-Bühnenshow Traumzauberbaum umschreibt,
damit der Spaß ohne ihn weitergeht?
Ich traf ihn vor über 20 Jahren. Eine
ganze Nacht. Ein Musik-Club im fernen Osten von Berlin. Nachwendezeit. Viele noch wende-euphorische,
meist arbeitslose Eingeborene auf dem Weg in den goldenen Käfig verstoßen ihre Stars. Doch dort an der urbanen Peripherie treten zu jener
Zeit Veronika Fischer, Frank Schöbel, Lift und andere auf. Aus dem
klapprigen Kneipenklavier lockte Günter Fischer faszinierende Klänge.
Nach
einem Auftritt Lakomys in intimer Atmosphäre vor mit hundert Zuhörern vollem
Saal sitzen wir zu zweit im zur Garderobe umfunktionierten Billardraum. Was ich
noch nicht ahne: Aus small talk wird ein stundenlanger Dialog. Lacky ist ein
aufmerksamer Zuhörer und noch besserer Erzähler. Seine trockene Art ist hinreißend.
Sein Blick klar, die Mimik jedoch fast mürrisch. In jeder Zeit und an diesem Ort sind wir
schnell von der Musik bei der Politik. Er erzählt mir, wie er einst gegen die
Ausbürgerung von Biermann protestierte und ihn der Staat danach beharrlich intensiv
„auf dem Kieker“ hatte. Trotzdem verstand er die DDR als Versuch etwas Neues
aufzubauen. Sein Publikum liebte ihn vor allem für seine einfühlsamen und
lebensnahen Balladen wie „Das Haus wo ich wohne“, „Sie hat ein Kind“ oder das
unvergessene „Heute bin ich allein“. Das war ihm an jenem Abend sehr bewusst. In einem Klub sagen
Dir die Leute was sie hören wollen und das waren seine alten Songs. In jener Nacht ließ Lacky uns spüren, was im
Westen als Ostalgie dargestellt wird, ist etwas ganz anderes: Die Weigerung,
die eigene Geschichte von außenstehenden Besserwissern oder von mitgelaufenen Umfallern
umdeuten zu lassen. Sich behaupten. Besondere Abneigung hegte Reinhard Lakomy
für Wendehälse. Jene, die er nach Auftritten einst am Hals der Partei- und
FDJ-Führung hängen sah und die sich nach der Kehrt-Wende in die Arme der neuen Scheindemokraten warfen. Lakomy war
aufgrund seiner Biographie im Wortsinne "glaub-würdig". Er, aus eher konservativem Elternhaus
war nie ein Parteigänger, im Gegenteil. Doch in der Wendezeit beeindruckte ihn,
das erzählte er in jener Nacht, die Prinzipientreue der nicht abgefallenen Linken
und speziell die Klugheit und der Schalk Gregor Gysis. Er kannte sogar Gysi-Witze.
Im Morgengrauen und nach drei Flaschen Rioja endete unser leider einziges
Treffen. Wir verabredeten ein weiteres. Nach dem einen oder anderen Konzert. Es
sollte nicht mehr dazu kommen. Lacky konzentrierte sich mehr auf "Heimarbeit" und ein anderes
dankbares Publikum – die Kinder, die bis heute seinen Traumzauberbaum lieben.
Auf meinem iPod habe ich seine frühen immer noch jungen Songs und das
prophetische „Alles Stasi außer Mutti“ aus seinem Album "Die 6-Uhr-13-Bahn".
Machs gut, Lacky.
Wir sehen uns in der
Böse-Buben-Bar, aber heute bin ich allein….
Dank für die Zusendung von
A. P.