Montag, 5. Mai 2014

Ukraine-Krise: "Verdeckte Agenda" in Berlin

Die US-Organisation "German Marshall Fund" (GMF) wird auf einer Webseite des ukrainischen selbsternannten Putschisten-Premier Jazenjuk als "Partner" aufgeführt. Gleichzeitig schreibt sie an wichtigen außenpolitischen Konzepten und Reden deutscher Politiker mit. Ein Mitarbeiter des GMF ist der bekannte US-Neokonservative Robert Kagan, der Ehemann von Victoria "Fuck-the-EU" Nuland.
Seit Beginn der Ukraine-Krise reiben sich viele Deutsche die Augen, wie schlafwandlerisch die deutschen Spitzenpolitiker eine offensichtlich unkluge bis katastrophale Politik betreiben - während die so genannten Mainstream-Medien, zuvorderst die Sender ARD und ZDF, aber auch die bekannt "seriösen" Zeitungen, in einer Weise berichten, die von vielen schlicht als Propaganda angesehen wird. Dies soll hier jedoch weniger Thema sein, sondern vielmehr eine Annäherung an die Frage nach dem "Warum".
Kiew Maidan 2014
Wer ist der Auftraggeber?
Gibt es eine verdeckte Absicht hinter der deutschen Politik, englisch "Hidden Agenda", von der man nichts erfährt, nichts erfahren soll? Dazu soll ein Zusammenhang beleuchtet werden, der einem breiteren Publikum (allerdings eingeschränkt durch den Sendeplatz um 23.00h) kürzlich durch die höchst sehenswerte ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" vom 29. April bekannt wurde. Thematisiert wurde da ab etwa Minute 38:00, dass führende deutsche Printjournalisten der Außenpolitik-Ressorts von Süddeutscher Zeitung, der ZEIT und der FAZ in US-/NATO-nahen Organisationen eingespannt sind, die man am besten als "Think Tanks" bezeichnet - wobei sie dort offensichtlich nicht zu gelegentlichen Recherchen sind, sondern als Beiräte, Berater, Vorstände, etc. Diese Organisationen beraten und leiten jedoch auch die deutsche Politik an, wodurch sich Interessenskonflikte geradezu zwangsläufig ergeben - schließlich sollen Journalisten theoretisch die Politiker kontrollieren, an deren Konzepten sie aber nun plötzlich mitarbeiten. Die Anstalts-Satiriker bezeichneten diese Organisationen als "NATO-Versteher", die auf Krisen im Wesentlichen eine Antwort hätten: Mehr Rüstung. Die Inhalte der Sendung beruhen auf detailliert recherchierten und lesenswerten Artikeln, die die Journalisten Paul Schreyer und Marcus Klöckner bereits im März veröffentlicht hatten: "Wir sind die Guten" und "Chaos bei Zeit online".

Goldman für Gauck
Durch jüngste Ereignisse ist der folgende Fall besonders schwerwiegend geworden: Jochen Bittner von der ZEIT schrieb an der Rede für Bundespräsident Gauck mit, in der dieser auf der letzten Münchner Sicherheitskonferenz eine "wichtigere Rolle" Deutschlands etc. anmahnte, zu Deutsch: er forderte mehr deutsche Soldaten im Ausland. Bittner lobte diese (also seine selber geschriebene) Rede danach in der ZEIT. Hochrelevant ist dabei, dass Bittner die Rede vermutlich im Rahmen, bzw. als Folge einer Kooperation seines US-Think Tank-Arbeitgebers "German Marshall Fund" mit dem deutschen Auswärtigen Amt tat. Bei Wikipedia steht dazu in Bittners Personenartikel:
"Bittners angebliche Vernetzung mit Thinktanks und politischen Eliten wurde am 29. April 2014 von der Satiresendung Die Anstalt kritisch dargestellt.[6] Dabei wurde auch Bezug genommen auf ein Kooperationsprojekt der Stiftung Wissenschaft und Politik und des German Marshall Fund, das von November 2012 bis September 2013 unter Förderung durch den Planungsstab des Auswärtigen Amts „Elemente einer außenpolitischen Strategie für Deutschland“ erarbeitete. Angeblich gibt es Parallelen zwischen den Inhalten des Projektpapiers 'Neue Macht. Neue Verantwortung' und Aussagen in Beiträgen von Bittner. Eine Offenlegung unter seinem Zeit-Artikel sei unterblieben. Dies gelte auch für Beiträge von Zeit-Mitherausgeber Josef Joffe.[7][8] Bittner weist darauf hin, dass der Hinweis nach einer Woche erfolgte." 
Folglich beeinflusst eine US-amerikanische, private Stiftung die Inhalte der außenpolitischen Reden des Bundespräsidenten. Einer der Vorsitzenden des German Marshall Fund war bis zu seiner kürzlich erfolgten Pensionierung Guido Goldman. Goldman ist seit kurzem nur noch im Board of Trustees (quasi der Beirat/Aufsichtsrat). An Goldman, der den GMF geprägt hat, ist vor allem sein Hintergrund interessant. Er hat in Harvard bei  Zbigniew Brzezinski studiert, Henry Kissinger betreute seine Doktorarbeit. Brzezinski gilt als einer der Altmeister der US-Außenpolitik, er sitzt bis heute in einschlägigen - man ahnt es - einflussreichen Think Tanks. Er schrieb das Buch "The Grand Chessboard" ("Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft"). Damit sollte Goldmans geistige Sozialisation klar sein - und das Buch gilt vielen informierten Mitmenschen als Blaupause dafür, was gerade in der Ukraine passiert. Die Ukraine taucht im Sachregister der deutschen Ausgabe des Buchs auf den Seiten 25, 62, 67, 74f., 81ff., 91, 10Sf., 110, 125, 127f., 131f., 135ff., 143, 146, 152f., 156, 165ff., 175ff., 198, 202, 213, 216, 280 auf, wird also offensichtlich als hochwichtig bewertet. Dass dieser über Brzezinski bestehende Zusammenhang von Goldman/des GMF mit der Ukraine keinesfalls weit hergeholt ist, wird weiter unten sehr klar. Brzezinski schrieb zur Ukraine (S. 75 der deutschen Taschenbuchausgabe):
„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Rußlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in lähmende Konflikte mit aufbegehrenden Zentralasiaten hineingezogen würde, die den Verlust ihrer erst kürzlich erlangten Eigenstaatlichkeit nicht hinnehmen und von den anderen islamischen Staaten im Süden Unterstützung erhalten würden. Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Russland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden.“
Anders gesagt: Die Ukraine ist enorm wichtig, und Russland soll möglichst keinen Zugriff/Einfluss darauf haben (etwa über die von Putin angestrebte Zollunion). Könnte dies die Wurzeln der gegenwärtigen, durch die USA und ihren Büttel EU provozierte Krise erklären? Aber zurück zum Einfluss des GMF auf die deutsche Politik. Etwas wichtiger als die Rede des Bundespastors Gauck auf der Sicherheitskonferenz war, dass Außenminister Steinmeier (und nebenbei: auch Frau von der Leyen) auf derselben Konferenz eine Rede hielt, die der von Gauck im Wesentlichen glich - also ebenfalls den Tenor hatte "The Germans to the Front". War diese Rede möglicherweise auch von Herrn Bittner bzw. vom GMF beeinflusst? Man weiß es nicht, es liegt jedoch nahe. Dies wäre eine massive Bankrotterklärung bzw. Hinweis auf Manipulation der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik - die jedoch konsequent scheint im Licht der Ereignisse der letzten Monate.

Die selben Ghostwriter
Ist das obige bereits irritierend, oder auch beunruhigend, so gibt es aber noch eine Steigerung: Brisant werden diese Zusammenhänge von NATO-freundlichen Think Tanks, die Leit-Medien und die deutsche Politik beeinflussen, durch Folgendes. Der jetzige, durch den Putsch an die Macht gekommene ukrainische Präsident Arsenij Jazenjuk hat eine private politische Stiftung, die OpenUkraine. Auf deren in Englisch verfügbarer Webseite , findet man unter "Partners" erstaunliche Logos dieser "Partner": Die NATO, das US-Außenministerium (State Department), das US-staatseigene National Endowment for Democracy, der Wirtschafts-Eliteclub Chatham House, und vor allem den "Black Sea Trust for Regional Cooperation", dem Logo nach ein Projekt des oben genannten German Marshall Fund (GMF). Der Putsch-Führer der Ukraine wurde also auch von einem US-Think Tank unterstützt ("Partner" heißen im allgemeinen die, die zahlen), der auch deutschen Spitzenpolitikern ihre Reden schreibt und die großen Linien der deutschen Außenpolitik in Richtung "mehr Militäreinsätze" ausrichtet. Der GMF scheint auch eine recht zentrale Rolle im deutschen NATO-Journaille-Netzwerk zu spielen, wie auch an einigen Kommentaren unter diesem lesenswerten Artikel zu sehen ist. Den Hinweis auf die Partner-Logos publizierte als einer der ersten der Investigativ-Blogger "Freeman" auf "Alles Schall und Rauch".

Jatz für Nulandistan
An obiger Partner-Liste wird klar, warum Victoria "Fuck the EU" Nuland in selbigem Fuck-EU-Telefonat sagte, dass Jazenjuk (von ihr liebevoll und erstaunlich vertraut "Yats" genannt) "der richtige Mann" für die Ukraine sei. Der beste Mann der NATO und insbesondere der USA.  Wie man an diversen Stellen im Internet nachlesen kann, wurde die Website der Stiftung nach dem Machtwechsel in der Ukraine dezent für längere Zeit vom Netz genommen, aber nachdem das wohl zu vielen Leuten auffiel, dann flugs wieder online gestellt. Zudem hat Jazenjuk schon 2008 zusammen mit Timoschenko einen Bittbrief um Aufnahme an die NATO gesendet (Prawda, 24. Februar 2012: ''Ukraine being dragged into NATO again''). Deutlicher: Jazenjuk ist ein so genannter 'Einflussagent' der NATO in der Ukraine. Ob Herr Putin das weiß? Sicher. Ob ihn das beunruhigt? Vermutlich. Zumal ein Freund (doch!) von Jazenjuk, Präsident Saakaschwili, in Georgien schon 2008 einmal einen Krieg gegen Russland vom Zaun gebrochen hat. Heute wird im Westen gern und beständig in den Medien (siehe oben) erzählt, Putin hätte den Krieg angefangen und wär ja so unglaublich aggressiv und imperialistisch, eigentlich schon Hitler-artig; nur stimmt das nicht. Laut einem EU-Untersuchungsbericht hat Russland sich damals lediglich gegen die georgische Aggression verteidigt, und zwar im Wesentlichen angemessen.

Familienbande
Frau Nuland ist übrigens über ihren bekannt neokonservativen Mann, Robert Kagan, mit dem GMF einigermaßen direkt verbunden, denn der arbeitet beim GMF ( s. den dt. Wikipedia-Art. über ihn und hier) Zu diesen seltsamen Verbindungen passt auch, dass NATO-Partner Stefan Kornelius von der SZ nach dem Fuck-EU-Lapsus einen massiv beschönigenden Artikel über Nuland schrieb ("Rasiermesserscharfe Liebe für Europäer"), der ein erstaunlich intimes Verhältnis und Kenntnis der Dame geradezu demonstrativ vor sich hertrug:
"'Toria', wie sie von ihren Bekannten und Freunden genannt wird, ist eine Liebhaberin des direkten Wortes. Sie ist konfrontativ, schnell, ungeschützt. Aber sie ist auch die wohl beste Kennerin Europas, die sich in der Washingtoner Regierung auf gehobenem Posten bewegt. Keine sorgt sich so leidenschaftlich und durchsetzungsstark um die Europäische Union. Wenn die Europäer einen Anwalt in der Obama-Administration haben, dann Nuland.“
Wie beruhigend, dass die deutschen NATO-Freunde in den Redaktionen diese Leute so genau kennen. Aber ist das obige eine stimmige Beschreibung von Nuland? Eine spitzzüngige, aber herzliche Erz-Freundin Europas? Nuland hatte vor der Übernahme ihres jetzigen Jobs im September 2013 (!) nie einen tieferen beruflichen Bezug zu Europa.  Dafür war sie von 2003 (Anfang des Irakkriegs) bis 2005 "Sicherheitsberaterin" von US-Vizepräsident Dick Cheney. Damals (und heute eigentlich auch noch) war "Sicherheit" gleichbedeutend mit Terrorismusbekämpfung. Und letzteres für die USA synonym für Geheimgefängnisse, illegale Entführungen, sowie Verschwindenlassen und Folter von Verdächtigen - bedeutsamer für die gegenwärtige Situation jedoch: Krieg war das universelle Mittel der Wahl als Antwort auf Konflikte. Man hofft, dass Frau Nuland damit nichts zu tun hatte. Nur, an ihrer so zentralen damaligen Position ist dies unwahrscheinlich, sie war mindestens Mitwisserin und vermutlich auch mitbeteiligt an entsprechenden "strategischen Entscheidungen", denn Cheney war bekannt als das Mastermind hinter der brutalen "Sicherheitspolitik" der Bush-Regierung. Manche Linken in den USA waren entsetzt, als Hillary Clinton 2011 Nuland wieder ins Außenministerium berief.
Ein unabhängiger Herr Kornelius von der SZ hätte vor Nuland gewarnt. Der reale Kornelius wiegt uns mit obigen warmen Worten in Sicherheit.
Wer sind diese Journalisten eigentlich wirklich, wem dienen sie und wem gilt ihre Loyalität?
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