Sonntag, 20. November 2011

Libyen: Saif Al Islam Gaddafi verraten

Saif Al Islam Gaddafi ist Samstagnacht in der südlichen Wüste Libyens, nahe der Ölstadt Ubari, von "Rebellen" gefangen genommen worden. Nach deren Angaben wurde er verraten. Ein Sprecher behauptete, sie hätten einen Tipp bekommen, dass Saif den vergangenen Monat in der Gegend verbracht habe. Er sei bereits seit längerem eingekreist worden. Es gab bei der Gefangennahme keinen Kampf. Saif Al Islam Gaddafi war in Begleitung von bewaffneten Kameraden. Nun befindet er sich in den Händen der „Rebellen“ von Zintan, wohin er geflogen wurde.
Auf Bildern sind drei bandagierte Finger an Saifs rechter Hand zu sehen; eine Verletzung, die von einem NATO-Luftangriff auf ihn beim Verlassen Bani Walids am 19. Oktober herrührt.
 

Amerikaner verkündet "fairen Prozess"
Der amerikanische Staatsbürger und von niemandem demokratisch gewählte „Interims-Premierminister Libyens“ Abdul Raheem al-Keeb verkündete, Saif werden einen fairen Prozess unter internationaler Beobachtung bekommen. Er „vergaß“ zu erwähnen, dass im "befreiten" Libyen die Sharia herrscht und es weder eine funktionierende, geschweige denn demokratische Justiz noch ein gültiges Gesetzeswerk gibt. Der Sprecher der Zintan-Brigade verkündete denn gestern ungerührt und zynisch live auf Al Jazeera, Saif bekäme einen fairen Prozess, „doch am Ende steht die Exekution".

Täter und Helfershelfer als faire Prozessbeobachter
Man habe "keine Bedenken, internationale Beobachter zu einem Prozess zuzulassen." sagt der "Justizminister" des NTC, Alagy. Wie unabhängig und ausführlich würden wohl die in die NATO-Kriegsverbrechen in Libyen verwickelte EU, die UNO oder deren Mainstreampresse berichten? Wirklich freie Journalisten – so zeigen die Vorgänge im Rixos-Hotel - spielten mit ihrem Leben, wenn sie es wagten nach Libyen zurückzugehen.

Den Haag hat plötzlich keine Eile
Die Auslieferung nach Den Haag, wo Saif ebenfalls nur Siegerjustiz erwartet, er aber wenigstens ein etwas größeres mediales Podium hätte, wird vom NATO-NTC abgelehnt. Die ansonsten vom ICC-Ankläger Moreno-Ocampo gewohnte Hektik bleibt plötzlich aus. Er will erst nächste Woche nach Libyen fliegen, um mit der „Regierung“ zu reden. Logisch: Weder die NATO-Staaten noch die Marionetten-Regierung haben ein Interesse, von dem eloquenten Insider Saif Al Islam Gaddafi der Weltöffentlichkeit vorgeführt zu werden.

Saif könnte öffentlich anklagen
Schon häufig sind die Angeklagten vor imperialistischen Gerichten zu Anklägern geworden. Saif Gaddafi könnte die erfundenen Vorwürfe, die zum Anlass für den Krieg um das libysche Öl genommen wurden zur Sprache bringen; die NATO-Kriegsverbrechen gegen die libysche Zivilbevölkerung, die Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf durch Gaddafi, die wahren Schuldigen an La Belle und Lockerbie oder dass die Ölmilliarden in riesige Infrastrukturprogramme und das Sozialsystem zugunsten der Libyer flossen. Die Propaganda-Medienlügen flögen auf.
Die jüngere Geschichte könnte plötzlich in einem anderen Licht erscheinen.
Saif al Islam befindet sich in höchster Lebensgefahr.

Geostrategische Bedeutung des imperialistischen Libyen-Krieges
Uns allen ist klar, dass die Story "vom Krieg zum Schutz der Zivilbevölkerung" eine primitive Lüge ist. Doch es erstaunt schon wie viele Regierungen - wider besseres Wissen - den Kopf einziehen und die Posse ängstlich mitspielen.  Warum ist das so?
Luigi Ambrosi, Dr. der Geschichte, lehrt in Mailand  an der Universität von Kalabrien.  Er veröffentlichte eine relativ kurze und doch umfassende Analyse der Hintergründe in seinem Artikel Geostrategische Anmerkungen zur Besetzung Libyens.
Wir empfehlen diesen Artikel weiter zu verbreiten. Er offenbart den für den Durchschnittsmedienkonsumenten unglaublichen Widerspruch von Propaganda und Wahrheit.