Strassenschild in den Emiraten - Friede sei mit Dir |
Rekrutierung von Umstürzlern, Filiale, Spendensammler der Muslimbrüder
Aufgedeckt wurden die engen Verbindungen - direkt oder über „Menschenrechtsorganisationen“ (wie z. B. Human Appeal und Human Relief International) - zur Muslim Bruderschaft und der „Union of Good“, die ihrerseits mehrere von den USA als „Terrorunterstützer“ bezeichnete Gruppen unterstützt wie Hamas und Al Aqsa Foundation. Die Akten zeigen ebenfalls enge Verbindungen zur internationalen Abteilung der Muslimbruderschaft unter Ebrahim Munir in Großbritannien.
Die Vorgeschichte
Der Prozess hatte ein langes Vorspiel. Im Wesentlichen geht es darum, islamistische Kräfte, denen die für die Verhältnisse am Golf vergleichsweise liberale, westlich orientierte Strategie der Emirate ein Dorn im Auge ist, zurückzudrängen. Soweit bekannt wurde, haben die Führer der Organisation die Vorwürfe nur insoweit angefochten, dass sie dem Umsturz dienten. Die Darstellung der Anklage über die islamistische Ausrichtung und Organisationsstruktur, mit Vorstand und Frauen-, Jugend-, Finanzabteilung und „Außenbeauftragten“ bis hin zu einem ‘Shura Council’ wurde nicht widerlegt. Die Geschichte begann wohl in den 70er Jahren, mit der Gründung der Filiale der Muslimbrüder (MB)-„Gesellschaft für Reformen“ in drei Emiraten. Die Behörden im zunehmend weltoffenen Staat, in dem über 80% Ausländer leben und arbeiten, duldeten die Aktivitäten - solange sie sich im religiösen Rahmen bewegten und keine politischen Forderungen laut wurden. Doch 1994 wurde die Gruppe offiziell aufgelöst; auf Beschwerden aus Ägypten hin, dass die MB Jihadisten und ihre Terrorakte finanzierte. Beamte die der Verbindung zur Muslimbruderschaft MB verdächtig waren wurden zwischen 2003 und 2006 aus dem Bildungswesen der Emirate entfernt und in anderen Stellungen im Staatsapparat untergebracht. Es half nichts. Die Organisation wurde – vom Ausland und aus inländischen Quellen finanziert – ausgebaut.
Es geht los
Irgendwann hatte die Zentralregierung die Nase voll. Zunächst wurde am 20. 4. 2012, einem Freitag, dem islamischen Wochenende, Scheich Sultan Bin Kayed al-Qassimi, ein Cousin der Herrschers des Emirates Ras al-Khaimah verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Die Familie teilte mit, es hätte keinen Haftbefehl oder ähnliches gegeben. Sultan Bin Kayed al-Qassimi führte bereits seit zwei Jahren jene Gruppe Al Islah, die Reformen im System der VAE verlangte. Sieben Mitglieder der Gruppe wurden 2011/2012 ausgebürgert; sechs von ihnen inhaftiert nachdem sie sich weigerten, das Land zu verlassen. Das Mitglied der Herrscherfamilie aus dem Norden, Scheich Sultan Bin Kayed al-Qassimi, kritisierte daraufhin die Regierung scharf. Die Spannungen nahmen zu. Dubais Polizeichef Khalfan verkündete öffentlich, man werde die Muslimbrüder bekämpfen, da sie am Golf Zwietracht säen. Tatsächlich begann „Al Islah“ sich entegegn ihrem Anspruch einer Islam-Organisation als politisch-islamistische Gruppe nach dem Muster der Muslimbrüder zu entpuppen und verbreitete einen Aufruf zu mehr „Demokratie“. Das Parlament der Emirate solle statt einer beratenden Funktion legislative Vollmacht bekommen. In mehreren Schritten wurden um die 100 Personen verhaftet.
Der Prozess
Der Prozess wegen der Gründung einer Untergrundorganisation zum Zwecke des Umsturzes der Regeirung begann im März 2013. Über die Ereignisse und den Prozessbeginn lesen Sie hier. Wie sich herausstellte plante die Gruppe 20.000 Mitglieder zu rekrutieren, um die Regierung zu stürzen und eine Gesellschaft nach islamistischem Vorbild zu errichten. (lt. Verhandlung am 7. Mai 2013) Nichtsdestotrotz bekundeten die Angeklagten im Prozess wiederholt ihre Treue zum Herrscherhaus und Staatsführern.
Am 2. Juli wurden die Urteile verkündet. Die Liste der Verurteilten wird angeführt vom Scheich Sultan Bin Kayed al-Qassimi mit 10 Jahren. Für 25 hieß es "Sesam öffne Dich." Die Urteile sind endgültig. Einer der Anwälte (es gab nur eine Handvoll Verteidiger für die rund 100 Angeklagten) kündigte an, beim Präsidenten eine Begnadigung zu erbitten.
Festzuhalten bleibt allerdings, die Gerichtsbarkeit in den Emiraten ist weit von europäischen Vorstellungen entfernt. Angeklagter Nr. 23, Mohammad Al Rokn (10 Jahre Gefängnis), beklagte, dass seine Mutter eine Zeitlang ihn nicht besuchen durfte. „Ich lebe mit Gefangenen aller Nationen, doch ich darf meine eigene Mutter nicht sehen.“ Angeklagter Nr. 15, Mohammad Abdul Razzak Mohammad Al Seddiq, sang in einer der letzten Sitzungen die Nationalhymne, andere stimmten ein. Angeklagte Nr. 66 Najeeba Al Hosani, die erst der Kopf der Frauengruppe sein sollte wurde freigesprochen. Als die Anwälte einmal den Zeugen der Anklage befragen wollten, gab der nur schnippische Antworten, verweigerte gar die meisten Antworten und verwies einfach auf die Staatsanwaltschaft. Ein Anwalt präsentierte eine Erklärung in der der Anklagebehörde vorgeworfen wird, die Unterschrift seines Mandanten im Untersuchungsprotokoll gefälscht zu haben. Die Staatsanwaltschaft focht die Behauptung an. Solche Vorwürfe durchzogen den Prozess. Schon in der zweiten Verhandlung, am 11. März, unternahmen Angeklagte und Anwälte den Versuch, den Behörden Folter und Misshandlung vorzuwerfen, konnten jedoch keine Beweise oder medizinische Gutachten vorlegen. Der Vorsitzende Richter Al Hajiri führte den Prozess hinsichtlich der Bedingungen für die Angeklagten fair und aufmerksam. Als beklagt wurde, dass sie sich bei der Staatsanwaltschaft in Einzelhaft befänden und weder Schreibzeug noch ihre Brillen hätten, um ihre Verteidigung vorzubereiten, ordnete der Richter die Überführung der Gefangenen in Gefängnisse des Innenministeriums und die Aushändigung von Papier und Stiften an. Auch der bislang verweigerte Familienbesuch wurde vom Richter genehmigt. Eine wesentliche Rolle im Prozess spielten abgehörte Telefongespräche und Audio- und Videomitschnitte der Treffen, die von der Forensik der Polizei Dubai den Angeklagten zugeordnet wurden. Der 13. Mai bot einen besonderen Einblick in die Gepflogenheiten in den Emiraten. An dem Tag traten insgesamt 20 der 96 Angeklagten auf, um sich selbst zu verteidigen. Sie wiesen die Vorwürfe zurück, die Organisation sei geheim oder im Untergrund oder habe das Ziel die Regierung zu stürzen. Am nächsten Tag, als ein neuer Schwung Angeklagter zur Verteidigung ansetzt, besteht der Richter darauf, dass die Angeklagten sich auf ihren Fall beschränken und nicht die Anklagevertreter beschuldigen oder beleidigen. Sie alle betonen daraufhin, sie seien Sunniten, deren Glaube die Unterordnung unter den Herrscher des Landes fordert und weibliche Herrschaft verbietet. Vor allem die männlichen Angeklagten aber, darunter Richter, beschwerten sich dessen ungeachtet über rechtswidrige Praktiken der Ermittlungsbehörden während der Verhaftung und der Untersuchung. Es hätten keine Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse vorgelegen. Das verstoße gegen Verfassung und Strafrecht. Eine weibliche Angeklagte teilte mit, dass Beamte ihr bestätigt haben, sie sei irrtümlich wegen einer Namensverwechslung verhaftet worden. Allerdings befanden sich alle weiblichen Angeklagten während des Prozesses gegen Kaution auf freiem Fuß. Am 21. Mai hielten die Anwälte ihre Plädoyers. Vier Anwälte forderten, die Anklage fallen zu lassen; die Verhaftungen wären strafprozessual fehlerhaft und illegal und die Angeklagten auf freien Fuß zu setzen. Ein einziger Anwalt, der bekannte Strafverteidiger Al Kumaiti, hielt sein Plädoyer im Namen von 68 Angeklagten. Er erklärte seine Mandanten für nicht schuldig. Nicht zutreffende Informationen seien auf der Basis „falscher Beweise” dem Gericht vorgelegt worden. Er forderte eine Untersuchung der Methoden der Informationsgewinnung der Staatsanwaltschaft. Seine Mandanten hätten sich beschwert, sie hätten Vernehmungsprotokolle mit verbundenen Augen unterschreiben müssen. Sie hätten zudem Beschwerden über Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft verfasst, die jedoch nicht beachtet und nicht verfolgt wurden. Anschließend kamen drei andere Anwälte zu Wort. Sie hatten zuvor vor Gericht keine Zeit, ihre 15 Mandanten zu vertreten. Auch sie beklagten die Verhaftungen als rechtswidrig. Sie wären ohne Faktenprüfung erfolgt. Einige Dokumente wären ihnen erst vorgelegt worden nachdem ihre Mandanten vier Monate in U-Haft saßen. Bereits nach der vorigen Sitzung am 14. Mai war dies ein in den Medien nicht verschwiegenes Thema. Der Richter ermahnte wohl deshalb wiederholt jedermann die Staatsanwaltschaft nicht zu beleidigen, nachdem es wieder erhitzte Wortwechsel gab, in denen die Behörde der Folter an anderen Angeklagten beschuldigt wurde. Die Angeklagte hatten ebenfalls erklärt, die Staatsanwaltschaft habe Untersuchungsdokumente gefälscht und Aussagen eingefügt, die die Angeklagten nicht gemacht hätten. Ihnen seien Treffen mit dem Anwalt verwehrt wurden. Dem betreffenden Angeklagten entzog der Richter das Wort. Auch ein Anwalt beklagte, dass Gefängnisbeamte ihn nicht zu seinem Mandanten gelassen hätten. Was ihm den Vorwurf des Richters einbrachte, sich nicht beschwert zu haben.
Alles in allem gibt es umfangreiches Material über das Netzwerk, dessen ziele und Verbindungen. Die Forderung nach mehr Demokratie in den VAE (für Einheimische wohlgemerkt, nicht Ausländer) klingt aus demMunde der Mursi-Filialisten doch recht eigentümlich. Bleiben...
Zwei Impressionen und ein Nachsatz
Erstens - Die Emirate, aufgerappelt nach der Krise, setzen auf neue Bauvorhaben, Technologie-Ansiedlung, Design, Handel und Logistik. Sie entwickeln neue Konzepte im Tourismus und Dienstleistungsbereich. Große Projekte werden wieder gestartet. Das erfordert ein weltoffenes liberales Klima. Islamismus und Muslimbrüder stören die Entwicklung des Landes. Die Ereignisse in Ägypten und die Erfahrungen mit den Muslimbrüdern dort haben die Führer der VAE alarmiert und zum Handeln gezwungen. Die bekanntermaßen effektiven und professionellen Sicherheitsbehörden arbeiten am unerlässlichen Klima für ausländische Investoren, die Ruhe und Sicherheit der Emirate zu schätzen wissen.
Zweitens - Während die einheimischen Quellen weitgehend von einem - nach arabischen Maßstäben, Tradition und Kultur - fairen Urteil ausgehen, bleiben – aus europäischem Blickwinkel - Fragen hinsichtlich des strafprozessualen Zustandekommens offen, die durchaus kritischer Betrachtung bedürfen.
Nachsatz: Die Gerichtsbarkeit in den Glitzermetropolen der Emirate läuft völlig anders als ein Europäer sich vorstellt. Wie wir erfuhren, können auch viele Europäer, darunter Deutsche, Österreicher und Schweizer im Land ein Lied davon singen. Doch Rechtsexperten raten, eine Lösung ohne Medien-Tam-Tam zu suchen.