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Freitag, 24. September 2010

Schäbig, schäbiger, Schabowski

Schabowski, der in der BILD zum DDR-Regierungssprecher, der die Mauer öffnete, mutiert, ist einfach zu beschreiben. Politbüromitglied, SED-Chef Berlin, Chef der damaligen SED-Zeitung Neues Deutschland. Am 3. November 1989 - auf dem Berliner Alexanderplatz - verteidigt er noch die DDR und die SED. Nach dem Anschluss (Art. 23 GG) der DDR an die BRD vollzieht er den Salto rückwärts, verrät seine Leute. Die ganze DDR war schlimm, Ursachen des Kalten Krieges und andere historisch fundierte Fakten sind ausgeblendet. Im Volksmund bekommt diese Spezies umgehend den ornithologischen Titel Wendehals verpasst. Folgerichtig bedient er nun beim - wohl nicht ohne Grund immer etwas dümmlich wirkenden - Hahne und in der BILD (!) zum 20. Jahrestag der Überwältigung der Ossis mit Bananen, Enteignung, Abwicklung und Treuhand dann alle ihm abverlangten Klischees: Stasi, Schiessbefehl, Zwangsadaoptionen, Linkspartei gleich SED, Lafontaine ist "schäbig" und Gauck sehe er gerne als Bundespräsident. Gauck lobt ihn denn auch umgehend. Das reicht zur Charakterisierung. Gesundheitsschädlich ist übrigens, dass dieser aufgewärmte Mist ausgerechnet zur Mittagszeit am Sonntag serviert wird. Die Frage nach dem wo ist fast überflüssig. Natürlich in Bertelsmanns Propaganda-Schmiede ZDF. Man ist so Frey.
Vielleicht hätte es dem ewigen Partei-Journalisten Schabowski mal geholfen, den unterwürfigen Hundeblick zu klären indem er beim Juristen Friedrich Wolff und nicht bei Springer und Hahne zum Thema Stasi nachgelesen hätte:
"Generalstaatsanwalt Schaefgen hat es, als er noch im Amt war, bekanntgegeben (Neue Justiz 2000, S. 1), und die Professoren der Humboldt-Universität kamen zum gleichen Ergebnis. Sie verkündeten, daß 143 Personen wegen MfS-Straftaten angeklagt, 20 verurteilt wurden (s. Marxen/Werle: »Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht«, Berlin/New York 1999). Zwölf von ihnen wurden zu Geldstrafen verurteilt, acht zu Freiheitsstrafen, die in sieben Fällen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Eine Bestrafung wegen Verbrechens kann demnach höchstens in einem Fall vorgekommen sein, denn »Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind« (§ 12 Absatz 1 StGB). Amtlich wurde das Ergebnis der strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung nicht bekanntgegeben. Eine Petition, die Öffentlichkeit zu informieren, wurde abschlägig beschieden."
Zweiwochenschrift "Ossietzky", Heft 1/2010